Die Landkarte der Finsternis
mit ihm zu reden, die Bruno mir auf der Stelle übersetzt:
»Warum sagst du denn nichts?«
»Muss ich denn was sagen?«
»Ich mag dein Schweigen nicht, Chaolo. Was soll das denn? Hast du mir am Ende etwas vorzuwerfen und traust dich nicht, den Finger in die Wunde zu legen?«
»In was für eine Wunde?«
»Eben. Was ist dein Problem?«
»Ich weià nicht, wovon du redest.«
»Ach, wirklich nicht?«
Blackmoon wendet sich ab, um nicht länger dem inquisitorischen Blick des Kolosses ausgesetzt zu sein. Aber er weiÃ, dass Joma ihm so lange keine Ruhe lassen wird, bis er eine Erklärung von ihm hat.
»Na, wirdâs bald?«, drängelt der Koloss.
»Du würdest mir sowieso nicht zuhören.«
»Ich bin doch nicht taub.«
»Nein, ich will mich nicht mit dir anlegen.«
»Ist es denn so schlimm?«
»Bitte, Joma, hör auf. Ich bin nicht in Stimmung.«
»Versuchâs doch mal. Ich werde dich schon nicht fressen.«
Blackmoon schüttelt heftig den Kopf:
»Du wirst dich nur aufregen und mich dann mit deinen Theorien zuschwallen.«
»Wirst du wohl endlich sagen, was los ist, verdammt!«, beginnt der Koloss zu schäumen.
»Siehst du, ich habe noch gar nichts gesagt, und schon brüllst du los.«
Joma stellt sein Essen auf den Boden und mustert seinen Boy mit vor unterdrückter Wut bebenden Wangenknochen.
»Wenn ich dir doch sage, dass ich dir zuhören werde â¦Â«
Blackmoon zieht den Kopf zwischen die Schultern, atmet tief ein und aus wie ein Boxer auf seinem Schemel nach einer harten Runde im Ring. Er schlägt die Lider auf und schaut zu seinem Chef, schlägt sie nieder und schlägt sie erneut auf, so als wären sie bleischwer. Nachdem er ein letztes Mal tief Luft geholt und seinen ganzen Mut zusammengenommen hat, sagt er:
»Du bist der Lehrer, von dem ich immer geträumt habe, Joma. Ich war nicht dein Boy, ich war dein Schüler. Aber die Schule, durch die du mich jetzt gehen lässt, die ist nichts für mich.«
»Kannst du dich nicht deutlicher ausdrücken?«
»Ich habe dir nie etwas abgeschlagen, Joma. Ich liebe dich mehr als meinen Vater und meine Mutter. Dir zuliebe habe ich meine Familie und mein Dorf verlassen, meine â¦Â«
»Komm zur Sache!«
»Wir sollten sie laufen lassen!«
Das war deutlich, verstörend deutlich und von schneidender Schärfe. Joma hätte sich fast verschluckt. Dieser Ausbruch seines Boys verschlägt ihm die Sprache, und er blinzelt einige Male, um sich zu vergewissern, dass er sich auch nicht verhört hat. Hastig schaut er zu uns herüber und muss feststellen, dass uns Blackmoons Vorstoà nicht entgangen ist. Er packt seinen Boy am Kragen und zieht ihn zu sich heran:
»Was sind das denn für Töne?«
Blackmoon lockert als Erstes den Griff der Finger um seinen Hals. In aller Ruhe tut er das. Dann wischt er sich mit seinem Tuaregschal den Schweià von der Stirn und wappnet sich, um dem glühenden Blick des Kolosses standzuhalten:
»Ich will gegen niemanden mehr die Hand erheben, Joma. Mir reicht es. Ich will nach Hause. Dieses ganze Gerede von Revolution und Gerechtigkeit und von was weià ich nicht noch allem, das macht mir keinen Spaà mehr. Ich glaube nicht daran. Seit Jahren sind wir schon damit zugange, und noch immer ist kein Ende in Sicht. Und was hat sich denn schon geändert, seit wir Rebellen spielen? Nichts. Und weiÃt du, warum? Weil sich nichts ändern lässt. Die Welt ist, wie sie ist, und niemand ist der liebe Gott, um dem abzuhelfen.«
Joma ist perplex. Nach langem Schweigen sagt er nur:
»Das stimmt nicht, Kleiner. Du hättest wirklich besser den Mund gehalten â¦Â«
Unmittelbar nach der Mahlzeit brechen wir auf. Diesmal ist es Joma, der uns die Hände auf dem Rücken zusammenbindet, als traute er seinem Boy nicht mehr über den Weg. Natürlich hat er sich nicht groà bei dessen Gefühlsausbruch aufgehalten. Für ihn ist das nur Gerede, so dahingesagt von einem Heranwachsenden, der vom Gang der Ereignisse überfordert ist. Aber so richtig wohl fühlt er sich nicht in seiner Haut. Während der Weiterfahrt richtet er kein einziges Mal mehr das Wort an seinen Boy, beobachtet ihn aber fortwährend aus dem Augenwinkel.
Am späten Nachmittag dann platzt ein Reifen; es fehlt nicht viel, und wir wären gegen einen Felsen geprallt. Als der Pick-up ins
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