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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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fragte Joshua.
    »Vielleicht funktioniert das indirekter, als man es sich allgemein so vorstellt. In den wenigen Notizen, die Linsay hinterlassen hat, besteht er darauf, dass jede Komponente exakt an Ort und Stelle eingesetzt werden muss, und zwar mit äußerster Sorgfalt, damit die Aufmerksamkeit des Konstrukteurs restlos von der Aufgabe in Anspruch genommen wird. Dass die beiden selbst gewickelten Spulen miteinander abgeglichen werden müssen, erinnert mich an das Abstimmen früherer Metalldetektoren. Was die anderen Bauteile angeht, so scheint es bei ihnen eher um das Aussehen zu gehen, denn das Aussehen kann durchaus sehr wichtig sein. Das Wickeln der Spulen selbst ist besonders hypnotisch. Wenn ich mal kurz tibetisch werden darf: Ich glaube, dass wir es hier mit einem technologischen Mandala zu tun haben, das nur dafür da ist, den Geist in eine kaum merklich andere Verfassung zu bringen. Und zwar unter dem Deckmantel eines kleinen, aus ganz alltäglicher westlicher Technologie bestehenden Apparates. Die Tatsache, dass man sich den Wechsler selbst gebaut hat, ermöglicht einem das Wechseln, verstehst du? Es ist nicht der Apparat selbst. Ich habe mich ebenfalls dem physischen Prozess des Zusammenbaus eines Wechslers unterzogen, über eine mobile Einheit natürlich. Ich würde sagen, dass er in uns eine Tür aufschließt, von der wir nicht wussten, dass sie existiert. Aber wie uns Jared Orgills Geschichte zeigt – oder auch unsere eigene –, stellen manche Menschen fest, dass sie überhaupt keinen Wechsler brauchen. Sie merken es, wenn sie zufällig mit einer kaputten Box wechseln oder in großer Not ganz ohne Wechsler.«
    »Wir sind alle natürliche Wechsler«, sagte Joshua nachdenklich. »Die meisten wissen es bloß nicht. Oder wir brauchen dieses Hilfsmittel, damit bestimmte Muskeln in unserem Kopf anspringen.«
    »So in etwa. Aber nicht alle, da täuschst du dich. Inzwischen haben wir genug Wechsler untersucht, um eine grobe Statistik zu erstellen. Wir nehmen an, dass etwa ein Fünftel der Menschheit natürliche Wechsler sind, denen die Lange Erde so zugänglich ist wie ein Stadtpark – ohne jegliches Hilfsmittel. Sie brauchen höchstens ein bisschen Training oder geistige Disziplin, so wie sie Jared unbeabsichtigt angewendet hat, als er sich den Schaltplan vor sein inneres Auge rief. Andererseits kann ein anderes Fünftel der Menschheit die Datum-Erde überhaupt nicht verlassen, es sei denn, sie werden peinlicherweise von jemand anderem getragen.«
    Joshua überdachte die Konsequenzen. Mit einem Mal war die Menschheit grundsätzlich unterschieden – auch wenn sie es noch nicht so recht wusste.

25
    J oshua sah Welten vorüberziehen, als blätterte jemand die Seiten eines Bilderbuches um. Da sie sich ständig auch geografisch gesehen nach Westen bewegten, passierten sie eine ganz eigene Grenzmarke: den Ural, ein breites Band zerknautschter Berge, das sich auf den meisten Welten an dieser Stelle von Norden nach Süden erstreckte.
    Dabei hatten sich die Welten inzwischen deutlich verändert. Sowohl den Eis- als auch den Minengürtel hatten sie weit hinter sich gelassen. Die Erden unter ihnen waren Maisgürtel-Welten, wie sie die amerikanischen Scouts und Treckführer meistens nannten: üppige, warme Welten, die zumindest in Nordamerika mit Grasland und Prärie und einigen vertraut aussehenden Bäumen und Sträuchern bedeckt waren, durch die große Herden kräftiger und gesund aussehender Tiere zogen. Welten, die nur darauf warteten, bestellt zu werden. Die Welten unter ihnen zählten inzwischen über 100 000 auf Lobsangs Erdometer. Die Siedlungstrecks brauchten neun Monate, um zu Fuß so weit zu kommen. Das Luftschiff hatte sie in vier Tagen so weit gebracht.
    Jedes Mal, wenn sie haltmachten, suchte Lobsang nach Kurzwellensignalen, die um die Krümmung einer jeden Erde mit einer Ionosphäre reichen mussten. Die Mark Twain machte in mehreren Maisgürtel-Welten halt, um zu lauschen. Eine davon war West 101.754, wo sie lang und breit über die neuesten Entwicklungen einer Kolonie in einem Wechsel-New-England unterrichtet wurden: Ein junges Mädchen, das zufälligerweise aus Madison stammte, bloggte, indem es aus seinem Tagebuch vorlas. Eine Siedlung, die hoffnungsvoll in die Zukunft blickte, dachte Joshua, wie es inzwischen wohl schon recht viele gab, auch wenn sie sehr spärlich über die Kontinente der Langen Erde verstreut waren. Und jede von ihnen hätte wohl ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen

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