Die Lanze des Herrn
schlechte Kopie? Das ist absurd, vollkommen absurd!«
Er schwieg einen Augenblick. Sein Zorn legte sich.
»Nein, ich glaube nicht, dass es so weit kommt. Sie werden es nicht schaffen. Dieser Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Und wenn es ihnen gelingen würde, ein Kind zu produzieren, wer würde es anerkennen? Sie rennen in ihr Verderben.«
Der Kardinal wartete einen Augenblick, dann sagte er:
»Wir dürfen uns nicht von diesen Menschen in diese Sache hineinziehen lassen. Heiliger Vater, natürlich bin ich Ihrer Meinung. Aber bedenken Sie den Aufwand, der bisher schon getrieben wurde. Man ist offensichtlich der Meinung, dass es sich bezahlt machen wird. Man hat vermutlich dasselbe entdeckt wie wir. Aber schon eine ganze Weile vor uns. Das dürfte sie darin bestärkt haben, das Experiment zu wagen. Seit der Entdeckung der Lanze und der Ermordung des Grabungsteams ist etliche Zeit vergangen. Die haben sie genutzt, um ihre Erfolgschancen abzuwägen. Und sie haben den Entschluss gefasst, zu handeln. Daraus schließe ich, dass sie fest an ihren Erfolg glauben.«
Nach einer Pause fuhr der Kardinal fort:
»Es stimmt zwar, Euer Heiligkeit, dass das Klonen von Menschen heute noch an Grenzen stößt. Aber in diesem Fall könnten sie dennoch überschritten worden sein. Ich will damit nicht sagen, dass es bereits konkret geschehen ist, aber wer immer dahintersteckt, hält es offenbar für sehr wohl möglich. Vielleicht hat man es tatsächlich geschafft, die Hindernisse auszuräumen, die einer Befruchtung und der Entwicklung eines gesunden Embryos im Wege standen. Wie, weiß ich nicht. Man muss ein Verfahren gefunden haben, Eizellen zu konservieren. Zu den größten Hindernissen gehören derzeit noch die großen Mengen Eizellen, die man braucht, und die Unmöglichkeit, sie einzufrieren. Ansonsten wären für einen einzigen Klon so viele Frauen nötig, dass der Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Wir versuchen zu viert, die Wissenschaftler zu finden, die ein solches Wunder vollbringen könnten.«
»Eine solche Hexerei, eine solche Hexerei.« »In diesem Spiel gibt es keine Amateure. Wir suchen deshalb nach Gentechnikern, die bereit sind, alle Tabus zu brechen, nach Wissenschaftlern, die umstritten sind, Molekularbiologen, deren Labors Finanzierungsschwierigkeiten haben. Wir schauen uns die schwarzen Schafe an, aber natürlich auch etablierte Forschergruppen, die schon lange auf diesem Gebiet arbeiten. Aber davon gibt es sehr viele. Wir haben Kontakt zu Garza-Valdès und Professor Riggi aufgenommen, die sich mit dem Grabtuch von Turin befasst haben, aber auch mit den Genetikern, die sich mit dem Schweißtuch von Oviedo und der Tunika von Argenteuil beschäftigt haben. Wir suchen nach ernsthaften Forschern, aber auch nach Fantasten. Wir legen Listen und Karteien an und nehmen Kontakt auf. Wir haben uns sogar an das FBI und an die Sekte der Raelianer gewandt. Das muss man sich einmal vorstellen! Kurz, wir sind am Ball. Nur es dauert alles lange, und wir haben nicht viel Zeit. Unsere Tage sind gezählt, befürchte ich.«
Der Papst schüttelte den Kopf, während Dino fortfuhr:
»Wir sollten vielleicht nicht unbeachtet lassen, dass die Pergamente des Longinus auch Weissagungen enthalten. Sie kündigen für das Jahr 2006 des christlichen Kalenders die Apokalypse an. Die Zeit, in der ich derlei Dinge mit dem wohlwollenden Blick des Rätselfreundes betrachtet habe, ist längst vorbei. Bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge will ich auf keinen Fall etwas übersehen. Was noch dazu kommt… der Archäologe Seltzner kannte den Inhalt der Pergamente. Auch für Axus Mundi könnten sie eine Inspirationsquelle gewesen sein.«
Der Oberste Pontifex breitete betroffen die Arme aus.
»Sollen wir das alles wirklich glauben?«
»Ich flehe Sie an, hören Sie mir zu. Wenn die Lanze echt ist und Axus Mundi wirklich Proben vom Blut Christi besitzt, dürfen wir nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir können doch nicht untätig bleiben! Enrico Josi ist tot, Pater Ungaro ist tot! Judith und Anselmo werden verfolgt!«
Nach langem Schweigen beugte sich der Kardinal vor:
»Wir dürfen uns nichts vormachen. Es geht um unsere Zukunft, um die Zukunft der Kirche und die Zukunft ihrer Gläubigen. Es geht jedoch außerdem noch um sehr viel mehr. Es geht um das Menschengeschlecht.«
»Aber wer sind diese Leute? Was für eine Organisation ist Axus Mundi? Eine Geheimgesellschaft? Eine Sekte?«
»Ja, und sie hält sich vermutlich für
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