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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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Ankunft sprachen Judith und Anselmo mit den für die Operation Verantwortlichen. Die Zeit drängte. Man überlegte, sich den Schutz der Dunkelheit zunutze zu machen. Zwei Kundschaftertrupps waren bereits unterwegs, um das Terrain oberhalb des Zentrums auf der anderen Seite des Berges zu sondieren. Es gingen regelmäßig Satellitenaufnahmen ein. Der Sturmangriff musste dann aber doch verschoben werden, weil die schwierigen Verhandlungen zwischen der ägyptischen Regierung, dem Vatikan, aber auch dem Staat Israel noch nicht abgeschlossen waren. Man wartete zudem auf die israelische Spezialeinheit, die in der Nacht losgeschickt werden sollte. Wegen des Massakers und des Todes eines ihrer Agenten wollten die Israelis an der Operation teilnehmen.
    Judith besichtigte die alte byzantinische Kirche des Klosters. An den Wänden der Vorhalle hingen unzählige Ikonen, die ahnen ließen, welche unerhörten Schätze die Sammlung des Klosters barg. Die Kirche setzte sich aus drei Schiffen zusammen, eines hatte eine Apsis aus Ephesus-Marmor, abgeteilt durch zwölf Granitsäulen. Das Mosaik über dem Hauptaltar stellte die Verklärung Jesu dar. Zahllose Silberlampen hingen von der Decke herab und beschienen das Reliquiar mit den Gebeinen der heiligen Katharina von Alexandria. Die Kapelle des brennenden Dornbuschs war mit blauer arabischer Fayence gefliest und der Fußboden mit Marmor und Porphyr in geometrischen Mustern belegt. Sie befand sich angeblich genau an der Stelle, wo Mose den brennenden Dornbusch sah und die Stimme Gottes vernahm, als dieser ihm befahl, seine Sandalen abzulegen, da er auf heiligem Boden stehe. Zu den wertvollen Schätzen des Klosters gehörte – neben russischen Kelchen aus Gold und Silber, Leuchtern, Kreuzen und Bischofsstäben, Stolen und Geschenken von Patriarchen – die zweitgrößte Bibliothek der Welt nach der des Vatikans. Im Katharinenkloster wurden einige hochberühmte und kostbare Kodizes aufbewahrt. Der von Pater Yoris nach Alexandria gebrachte war nur einer von vielen.
    Judith war von den Kostbarkeiten um sie herum fasziniert und zwang sich zu vergessen, was sie erwartete, und die Angst zu unterdrücken, die ihr das Herz abschnürte.
    Anselmo trat zu ihr.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie bemühte sich zu lächeln.
    Die Entscheidung würde bei Tagesanbruch fallen.
    ♦♦♦
    Es dämmerte.
    Ein Teil des Sturmtrupps wartete oberhalb des Zentrums auf dem Felsplateau eines Ausläufers des Djebel Katharina. Am Horizont erschien die Morgenröte. Judith und Anselmo hatten die Soldaten begleitet.
    Der Soldat neben Judith half ihr, eine kugelsichere Weste anzulegen. Unter dem wattierten blauen Kleidungsstück verschwand das kleine silberne Kruzifix, das sie um den Hals trug. Ein anderer Soldat setzte ihr Kopfhörer auf und befestigte ein Mikrofon an ihrer Brust. Sie wäre beinahe erschrocken aufgefahren, als sie es rauschen hörte wie in einem kaputten Radio. Es war der Rückkoppelungseffekt, dann wurde der Ton langsam klarer. Jetzt hörte sie deutlich eine Stimme. »One, two, three. One, two, three. Hören Sie mich?«
    Sie nickte, plötzlich sehr blass geworden. Was machte sie bloß hier in der Wüste, auf diesem Plateau am Rande eines Geröllfeldes, das so aussah, als würde es sich jeden Moment über sie ergießen und für immer und ewig begraben? Doch sie träumte nicht, alles war Wirklichkeit. Ein Soldat hielt ihr einen Helm hin. Sie nahm ihn, bemüht, das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu bringen. Ohne von ihrer Angst Notiz zu nehmen, half er ihr, den Helm aufzusetzen und den Riemen unter dem Kinn zu befestigen. Sie sagte sich, dass sie in diesem Aufzug ganz schön lächerlich aussehen musste. So etwas hatte sie noch nie erlebt.
    Man sage mir, dass ich träume, dass ich gleich die Augen aufmache und in meinem Bett liege, dachte sie.
    Das geschäftige Treiben um sie herum kam ihr plötzlich völlig unwirklich vor. Schwankend drehte sie sich um ihre eigene Achse. Die Truppen überprüften ihre Ausrüstung. Einer der Elitesoldaten hatte gerade seine beiden Revolver in der Hand, Glock 26, neun Millimeter, Halbautomatik mit je zwölf Schuss. Dann ließ er sie in die Halfter auf beiden Hüften gleiten. Scharfschützen und Soldaten ägyptischer Sondereinheiten stiegen mit Faustwaffen und Sturmgewehren bestückt etwas weiter unten aus ihren Jeeps.
    Eine warme Bö bestätigte Judith, dass sie sehr wohl hellwach war. Sie wollte protestieren, als sie fühlte, wie ihr jemand unsanft einen Gürtel um die

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