Die Laufmasche
möglichst weit weg von ihnen, denn Rothenberger mochte keine Hunde.
»Komm, Serafine«, flehte der kniende Mann seine Katze an. »Wir sind doch gleich dran.«
Serafine fauchte. Ich beugte mich neugierig hinab.
Die Katze hatte sich mit gesträubtem Fell in die äu-
ßerste Ecke gequetscht.
»Wir könnten sie mit einem Schnürriemen locken«, schlug ich vor. »Rothenberger versucht immer, in das Ende zu beißen.«
Der Mann drehte sich zu mir um. Dunkle Locken über breiten Schultern, mir stockte der Atem. Es war
- Sie werden es schon ahnen - mein grünäugiger David! Beinahe hätte ich die Tasche mit Rothenberger fallen gelassen.
»Ich kenne dich doch«, sagte David und runzelte die Stirn. Ich tat nichts, um ihm auf die Sprünge zu helfen, sonst würde ihm gleich wieder einfallen, dass er mich völlig overdressed im scheußlichsten Lokal der Stadt mit einer Laufmasche getroffen hatte. Besser, wir fingen hier und heute ganz von vorne an. Ich lächelte geheimnisvoll.
»Jetzt weiß ich es!«, rief er trotzdem.
Ich erschrak. »Das mit meiner Entjungferung auf dem Damenklo war gelogen!«, sagte ich. Es war mir einfach herausgerutscht.
David, das Stützstrumpfehepaar und der zitternde Windhund starrten mich mit großen Augen an.
Sogar die Katze unter dem Stuhl wagte sich weiter vor, als ob sie einen Blick auf mich werfen wollte.
Es war fürchterlich.
Aber noch bevor sich der Boden auftat, um mich zu verschlingen, öffnete eine Sprechstundenhilfe die Tür.
»Der Nächste bitte«, sagte sie.
»Das sind wir!« David zerrte seine wütend fauchende Katze unter dem Stuhl hervor und folgte der Sprechstundenhilfe hinaus in den Flur. Ich hielt den Blick angestrengt auf den Boden gesenkt.
»Dat die sisch nit schämen tut«, flüsterte die Frau mit dem Windhund ihrem Mann zu. »Auf dem Damenklo.«
Die Sprechstundenhilfe öffnete erneut die Türe und teilte uns mit, dass das Sprechzimmer der Assistenzärztin jetzt frei sei. Herr und Frau Stützstrumpf wollten aber lieber auf den richtigen Doktor warten. Also trug
ich Rothenberger ins Sprechzimmer. Dort ließ er sich widerstandslos die jährliche Dreifachimpfung verpassen, bevor er wieder in die Tasche kroch und sich dort zusammenrollte, so gut es ging.
Im Flur und im Wartezimmer war keine Spur mehr von David und seiner Katze zu sehen, als wir herauskamen. Er war mir wieder durch die Lappen gegangen, doch diesmal hatte ich eine echte Chance, wenigstens seinen richtigen Namen zu erfahren. Ich beschloss, mich an die
Sprechstundenhilfe zu wenden.
»Der Mann eben, der mit der schwarzen Katze und den grünen Augen«, sagte ich, »ich brauche seinen Namen und seine Adresse.«
»Wie bitte?« Die Sprechstundenhilfe hob den Kopf und musterte mich kühl über den Tresen.
»Sie müssen mir den Namen und die Adresse des Mannes verraten, der eben mit seiner schwarzen Katze hier war«, wiederholte ich. »Die Katze hieß Serafine.«
»Sie wollen die Anschrift eines Tierhalters?«, fragte die Sprechstundenhilfe mit
zusammengekniffenen Augen hinter den
Brillengläsern. Ich freute mich, weil sie endlich kapiert hatte, was ich von ihr wollte. »Genau«, sagte ich und setzte noch ein freundliches »Bitte« hinzu.
Vor Empörung beschlugen der
Sprechstundenhilfe die Brillengläser. »Haben Sie noch nie etwas von der ärztlichen Schweigepflicht gehört?«, fragte sie.
Mir entfuhr ein hysterisches Kichern. Aber der Sprechstundenhilfe war es bitterer Ernst. Ich hörte auf zu kichern und setzte eine verzweifelte Miene auf. Ich wollte schließlich nicht wissen, woran die Katze krankte, ich wollte nur den Namen ihres Herrchens.
»Bitte!«, flehte ich. »Es ist - lebenswichtig!«
Rothenberger in seiner Tasche maunzte ungeduldig.
Er war es nicht gewöhnt, dass wir nach der Impfprozedur nicht sofort ins Auto stiegen.
Die Augen hinter Glas blieben unerbittlich. »Das geht nicht! Hat Ihnen denn noch niemand gesagt, dass das Tierquälerei ist, ein Tier in einem Einkaufsbeutel zu transportieren?«
Einen kurzen Augenblick lang war ich versucht, einfach über den Tresen zu langen und die Karteikarten zu entwenden. Aber die Bebrillte sah aus wie jemand, der den Kampf mit um sich schnappenden Bulldoggen auf der
Behandlungsbank jedes Mal zu seinen Gunsten entscheidet. Ich seufzte und suchte mit Rothenberger das Weite. Kaum saßen wir im Auto, begann das Vieh zufrieden zu schnurren.
Die siebte Gelegenheit
DER MIT ABSTAND sicherste Ort, um den Traummann zu verpassen, ist die eigene
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