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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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fände aber Doppelnamen affig, weshalb er nur Kernig genannt werden wolle, und er besäße auch nur zehn Prozent von Hoppe und Partner, weswegen er nicht namentlich in der Firmenbezeichnung aufgeführt worden sei, obwohl sein Name doch so passend gewesen wäre, hahaha.
    Ich lachte höflich mit.
    Herr Kernig saß in einem kleinen, hellen Eckbüro, das ausgesprochen karg und unenglisch möbliert war. Auch er rauchte in den Aschenbecher Artikelnummer 799567 und machte einen nervösen Eindruck.
    »Das hier ist die junge Dame, von der ich dir erzählt habe«, sagte Wölf. »Sie ist mit unserer Natalie zur Schule gegangen, aber in letzter Zeit hatte sie etwas Pech. Natalie hat dafür gesorgt, dass wir Felicitas bei uns aufnehmen, denn sonst wäre sie nun arbeitslos. Sie hat bis jetzt an der Erfassung der Artikel für den englischen Katalog gearbeitet, und das hat sie wirklich gut gemacht.«
    »Und was haben Sie davor gemacht?«, wollte Herr Kernig wissen. Er war ein kleiner, zart gebauter Mann von ungefähr achtunddreißig, mit schütterem rötlichen Haar und blasser Kopfhaut. Ich fragte mich ganz kurz, was die betuchte Gutsherrentochter Agatha Hufenschlag wohl an ihm gefunden haben mochte.
    »Vorher habe ich in einem Verlag gearbeitet. Ich habe dort die Öffentlichkeitsarbeit gemacht, Pressetexte verfasst, PR-Kampagnen geleitet, eben so was«, sagte ich.
    »Und davor?«, fragte Herr Kernig.
    »Davor habe ich studiert. Judaistik, Philosophie und Pädagogik.«

Herr Kernig lachte schallend.
    »Lieber Gott«, sagte er. »Judaistik, Philosophie und Pädagogik!«

Wolf erhob sich.
    »Ich habe einen Termin«, sagte er zu Herrn Kernig.
    »Du kannst alles Weitere mit ihr besprechen, und du, Felicitas, kannst mir dann Montag deinen Entschluss mitteilen.«

Ich nickte.
    »Setzen Sie sich doch«, sagte Herr Kernig und zeigte auf einen Stahlrohrstuhl an der Wand. Ich setzte mich. Kernig betrachtete mich eine Weile schweigend mit zusammengekniffenen Augen.
    »So rein äußerlich könnte ich Sie mir durchaus als meine Assistentin vorstellen«, sagte er dann.
    Das machte sicher der Nicole-Uphoff-Look. Ich lä-
    chelte. Herr Kernig lächelte zurück.
    »Reiten Sie?«, wjollte er wissen.
    »Nein«, sagte ich bedauernd.
    Herr Kernig fand das aber gut. »Wissen Sie, das ist manchmal ganz schön lästig, wenn die Mitarbeiter begeisterte Reiter sind und unsere Produkte selber ausprobieren. Sie teilen dann den Kunden ihre persönlichen Vorlieben und Abneigungen mit, was sich nicht gerade verkaufsfördernd auswirkt. Sie hingegen werden sich auf die Produktinformation beschränken, die für den Kunden gedacht ist.
    Sprechen Sie Englisch?«
    »Ja«, sagte ich zögernd.
    »Wie gut?«, wollte Herr Kernig wissen.
    »Ich hatte Englisch-Leistungskurs in der Oberstufe.« Das war allerdings schon ziemlich lange her.
    »Wunderbar«, fand Herr Kernig und drückte seine Zigarette aus. »Dann sind Sie für diesen Job im Grunde optimal präpariert. Am besten gehen wir gleich mal nach
    nebenan, da können Sie die Dame kennen lernen, die uns leider verlassen wird, und meine Sekretärin, Frau Berghoff. Sie würden sich mit ihr ein Büro teilen.«

    Ich erhob mich und folgte Herrn Kernig hustend in den Flur hinaus. Dabei hoffte ich inständig, Frau Berghoff möge Nichtraucherin sein. Wolfs Partner öffnete die nächste Tür.
    »Hallo, die Damen«, sagte er aufgeräumt. »Hier bringe ich Ihnen vielleicht die Nachfolgerin unserer Frau Schmidt, Frau äh ...«
    »Trost«, ergänzte ich und blickte über Herrn Kernigs spärlich behaartes Haupt hinweg in den kleinen Raum, in dem sich zwei Frauen gegenübersaßen.
    »Das ging aber schnell«, sagte eine von ihnen, ein junges Mädchen in Kordhosen und Sweatshirt, das ich für Frau Schmidt hielt.
    Als sie aufstand, überragte sie Herrn Kernig um Haupteslänge und sah auch sonst aus, als würde sie in ihrer Freizeit nichts lieber tun als reiten und Ställe ausmisten.

Nebenan klingelte das Telefon.
    »Ich bin gleich wieder hier«, sagte Herr Kernig und eilte in sein Büro zurück. »Sie können sich ja selber vorstellen.«
    Ich lächelte die beiden Frauen schüchtern an.
    »Wo hat er Sie denn so schnell ausgegraben?«, fragte Frau Berghoff. Sie war eine gut aussehende, schlanke Person um die Vierzig mit tizianrotem Pagenkopf und wunderschönen, großen blauen Augen.
    »Ich habe ein paar Wochen neben Frau Müller-Seitz in einem Ver-... einem kleinen Raum am Computer gearbeitet«, erklärte ich ihr.
    »Ach, Sie waren das«,

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