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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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einen Läden, wie ich auch aufmachen will.«
    »Kauf nichts ein, bevor ich den blöden Brief nicht gefunden habe. Vermutlich ist er beim Umzug weggekommen oder längst vorher im Altpapier gelandet.«
    »Du musst ihn finden«, beschwor mich Beate.
    »Wenn man einen Fluch mit ins neue Jahr nimmt, wird es noch viel schwerer, ihn loszuwerden.«
    »Ich werde danach suchen«, versprach ich und legte auf.

Die vierzehnte Gelegenheit
    SOGAR DER WEIHNACHTSEINKAUF war mir in diesem Jahr verleidet. Das lag nicht zuletzt daran, dass meine Eltern mir nahe gelegt hatten, für Roswitha und Wolf Hoppe ein Geschenk zu besorgen. Und für Natalie auch, das sei eine nette Geste, wo sie mir doch so geholfen hätten.
    »Ich fürchte, mein Budget wird dieses Jahr für solche Extravaganzen nicht ausreichen«, sagte ich und putzte meine rote Schnupfennase. Ein Wintervirus hatte mich gepackt und mit rot triefenden Augen und einem dick geschwollenen Riechorgan gesegnet.
    »Nur eine Kleinigkeit«, beharrte meine Mutter.
    »Damit sie deinen guten Willen erkennen. Und deine gute Erziehung.«
    »Ich denke nicht daran, mein hart verdientes Geld für Natalie zum Fenster rauszuschmeißen.«
    Meine Eltern schüttelten wieder mal bekümmert die Köpfe. Sie konnten und wollten meine Meinung über die Hoppes und ihre vermeintliche Großmut einfach nicht teilen. Zur Strafe kaufte ich ihnen eine ledergebundene Gesamtausgabe von Dostojewski zu Weihnachten. Da alle Bände zusammen über acht Kilogramm wogen und man sie schlecht mit in den Skiurlaub schleppen konnte, verpackte ich nur ein Buch zum Mitnehmen. Es hieß »Der Idiot«, und sie konnten sich aussuchen, wen von beiden ich damit meinte.
    Im modernen Antiquariat, wo es den Dostojewski gab, fand ich auch ein hübsch bebildertes Kochbuch über Trennkost. Es war dramatisch reduziert, statt neununddreißig neunzig nur noch vier fünfundneunzig. Es war das ideale Geschenk für Wolf und Roswitha, gerade eben noch zu verkraften. Hübsch verpackt konnte es richtig was hermachen. Ein Geschenk für Natalie würde es aber nicht geben, es sei denn, ich fände zufällig eine Sense.
    Als ich meine Dostojewskis und das
    Trennkostbuch aus dem Laden schleppte, vier Kilos auf jeder Seite, in reißfeste Baumwolltaschen verpackt, hätte ich um ein Haar Erik gerammt. Er stand vor dem Tisch mit dramatisch reduzierten Reiseführern und trug eine grüne Wollmütze, passend zu seinen Augen.
    »Möchtest du verreisen?«
    Erik lächelte mich überrascht an. »Am liebsten ja.«
    »Ich auch«, stimmte ich aus vollem Herzen zu.
    »Von mir aus auf eine Bohrinsel in der Nordsee.«
    »Ich habe ein paar Mal bei dir angerufen«, sagte Erik. »Aber die Nummer gehört jetzt jemand anderem. Ich schätze, du hast eine schöne neue Wohnung gefunden?«

    Ich dachte an mein Kinderzimmer und musste nie-sen. »Wie man's nimmt.«
    »Da gibt es doch hoffentlich eine Heizung?«, fragte Erik. »Du siehst erkältet aus.«
    Ich fasste an meine rote Nase und ärgerte mich.
    Auch wenn wir die Sache mit den ersten drei Sekunden jetzt schon ein paar Mal hinter uns gebracht hatten, förderlich waren Tränensäcke wie die von Derrick sicher auch nicht bei der zehnten Begegnung.
    »Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, weil das mit
    dem Zimmer dann doch nicht geklappt hat«, sagte Erik. »Ich wollte dich zum Trost wenigstens mal zum Essen einladen. In ein Restaurant, nicht nach Hause«, setzte er hinzu.
    »Du brauchst meinetwegen kein schlechtes Gewissen zu haben, wirklich nicht«, erwiderte ich etwas unwirsch. »Es war ja nicht deine Schuld.«
    Aber das mit dem Essen können wir trotzdem gern mal nachholen, wollte ich noch hinzufügen, als sich von hinten eine schlanke Hand auf Eriks Schulter legte. Sie steckte in cognacfarbenen Wildlederhandschuhen und gehörte Britt.
    »Hier bist du«, sagte sie zu Erik. »Ich suche dich schon überall.« Sie trug die gleiche Mütze wie er, nur in Braun. Mir drängte sich der schreckliche Verdacht auf, dass sie möglicherweise beide Mützen selber gestrickt hatte.
    »Du kennst doch noch Felicitas«, sagte Erik.
    Britts Augen schweiften gleichgültig über meine Gestalt und blieben an der rot geschwollenen Nase hängen. »Sicher.«

    Sie schmiegte sich an Eriks Arm und hielt ihm ein Buch hin. »Guck mal, was ich entdeckt habe.«
    Da die Schrift von mir aus gesehen Kopf stand, brauchte ich etwas länger, um den Titel zu entziffern. Aber dann schnappte ich nach Luft.
    »Treuebrüche - die kreative Aufarbeitung des

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