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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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vornehme Dame wolle ihn in ihrem Haus halten. Damit war ich einverstanden. Ein selbstständiger Mauser wäre er nie geworden.
    In meinem Traum tauchten alle vier Katzen auf; sie waren beisammen, und ich putzte ihnen gründlich die Ohren. Doch plötzlich trugen sie menschliche Gesichter. Das fand ich sehr ungewöhnlich. Und eines davon erkannte ich. Der weiße Kater trug Melvinius’ Züge.
    Als ich aufwachte, wusste ich, dass ich für ihn sorgen musste wie für mein eigenes Kind.
    Eine interessante Erkenntnis.
     
    Nach meiner Morgenrunde – es war kühl und wolkig an diesem Tag – betrat ich des Paters Kammer durch die Klappe und fand Meiko darin vor. Das machte mich misstrauisch. Vor allem, weil er sich an dem leeren Bett zu schaffen machte. Suchte er auch hier etwas, wie bei der Moen?
    Er hatte die Decken entfernt und wühlte die Matratze auf. Den Inhalt schaufelte er in einen Korb, dann nahm er aus einem zweiten frischen, getrockneten Farn und stopfte die Unterlage neu. Es roch wunderbar, das muss man schon sagen. Und es erklärte den feinen Kräuterduft, der Melvinius ständig umgab.
    »Ab in die Bibliothek, Mirza!«, mahnte Meiko mich trocken, als er mich bemerkte, und öffnete mir die Tür. Wenigstens trat er nicht nach mir. Betont gemächlich schlenderte ich hinaus.
    Die Mäuse waren übermütig geworden; ich räumte kurzentschlossen unter ihnen auf und konnte Meiko bald die Schwänze und Innereien von drei Opfern vorweisen. Er räumte das Gekröse weg, ohne mir auch nur ein Wort des Lobes zu gönnen. Dann aber setzte er sich an das Lesepult und rollte ein großes Papier auf. Ich linste neugierig vom Fenstersims her darauf. Es waren nicht diese gradlinigen Wortspuren darauf, wie in den Büchern, sondern eine sehr wunderliche Zeichnung. Mir sagte sie nichts, aber für Meiko schien sie eine tiefe Bedeutung zu haben. Seine Ausstrahlung konnte man geradezu als wehmütig bezeichnen. Lange und ganz versunken betrachtete er das Dokument, und gelegentlich fuhr er mit seinen – erstaunlich sauberen – Fingern die eine oder andere Linie nach. Er war damit so beschäftigt, dass er Pater Melvinius’ Eintritt überhörte.
    »Die katalanische Weltkarte, ein recht neues, gedrucktes Exemplar. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, sie mir anzusehen. Interessierst du dich dafür? Ich hörte, es würde auch bald Karten geben, die die Neue Welt abbilden, die dieser Cristoforo Colombo entdeckt hat.«
    »Ich... äh... ich habe Euch frischen Farn für Eure Bettstatt gebacht, Pater. Eine seltsame Sitte habt Ihr hier.«
    »Unser verehrter Ordensgründer Norbert hat es so bestimmt. Er wanderte viel, um seine Lehre zu verbreiten, und musste oft ohne Unterkunft im Farn die Nacht verbringen. Wir halten auch mit solchen Kleinigkeiten unsere Erinnerung an ihn wach.«
    »Ganz unvernünftig ist diese Anordnung nicht. Ichhabe mein eigenes Lager auch damit gerichtet. Es scheint das Ungeziefer besser fern zu halten als das modrige Stroh, auf dem ich oft zu ruhen gezwungen war.«
    »Als du jene Meere befuhrst, die hier verzeichnet sind?«
    Meiko bedachte den Bibliothecarius mit einem seltsamen Blick, antwortete aber nicht darauf. Melvinius schien das nicht zu berühren. Er nahm eine weitere Rolle vom Bord und öffnete sie.
    »Die Weltkarte des Fra Mauro. Sie und die andere sind eben in die Bibliothek gekommen. Abt Ignaz hat sie erstanden.«
    Ich sah ein kurzes Aufflackern in Meikos Augen, aber er senkte schnell die Lider und zuckte nur mit den Schultern. Ein blöder Ausdruck machte sich in seinem Gesicht breit.
    »Wenn sie wertvoll sind, hoffe ich, diese Katze hält die Mäuse davon fern.«
    »Sie sind wertvoll, und Mirza hält die Mäuse fern.« »Tja, dann gehe ich mal wieder an meine Arbeit. Farn schneiden.«
    »Tu das, Meiko, tu das.«
    Als er aus dem Raum gepoltert war, gesellte sich Melvinius zu mir. Ich gurrte ihn ein wenig aufmunternd an und gab ein fragendes »Mirrr?« von mir, so wie ich es meinen Kindern gegenüber auch gemacht hatte, wenn sie von irgendwelchen Ausflügen zurückkamen.
    »Er verbirgt etwas vor uns, der Gärtnerbursche. Findest du nicht auch?«
    Ich war mir dessen sogar sicher und antwortete mit einem zustimmenden: »Brrrip.«
    »Er ist beileibe nicht der Tölpel, den er gerne spielt. Ich vermute, diese Karten sagen ihm mehr als mir. Seekarten, auf denen die Schiffsrouten zu fernen Ländern verzeichnet sind.« Melvinius streichelte meinen Rücken, was ich angenehm fand. »Wie seltsam. Ich bin schon seit über

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