Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
errungen. Doch er bezwang seinen Zorn, und zum Schein bat er den Älteren inständig um Verzeihung. Dieser glaubte ihm und zeigte ihm sogar das kostbareAmulett. In der Nacht aber gelang es dem Jüngeren auf heimtückische Art, den Kristall zu rauben. Danach verleumdete er vor aller Welt seinen Bruder als Schänder der Herrin der Quelle. Da er das Amulett besaß und damit gefeit gegen alle Widrigkeiten war, glaubten die Menschen ihm. Der ältere Bruder hingegen wurde geächtet und musste das Land verlassen, wo er in der Fremde starb.«
»Was für eine traurige Geschichte. Und wie ungerecht.«
»Ja, es ist die Geschichte einer großen Ungerechtigkeit. Als die Fee davon erfuhr, weinte sie bittere Tränen, und das Wasser der Quelle wurde ebenso bitter wie diese Tränen. Es wird erst wieder süß fließen, wenn ihr goldenes Haar der Quelle zurückgegeben wird. Doch dies darf nicht durch eines Menschen Hand geschehen.«
»Ist das Wasser der Quelle wirklich bitter?«
»Oh ja, es schmeckt scheußlich. Ich habe es selbst probiert. Es versickert auch bald wieder im Boden. Trotzdem ist es schön an der Stelle. Ich besuche sie oft. Eine Fee habe ich aber leider da noch nicht gesehen.«
Jehan klang enttäuscht, aber Kristin strahlte eine geradezu kätzische Neugier aus.
»Wir werden den Ort gemeinsam besuchen, Jehan.«
Und ich würde mitkommen, das stand mal fest. Die Herrin der Quelle, ihr würde ich zu gerne begegnen. Aber zunächst musste ich den Weg zurück in die Bibliothek wiederfinden, um dort noch ein paar Mäusekapitel zu verschlingen.
Ein farbenfrohes Kapitel
Am folgenden Tag verzichtete ich auf einen Besuch im Wald. Stattdessen wollte ich die Obstwiesen auf der anderen Seite des Klosters erkunden. Vor allem die Apfelscheune schien mir eine Überprüfung wert zu sein. Äpfel sind ja angeblich gesund, und Mäuse sind geradezu versessen auf Äpfel. Ich hingegen bin versessen auf gesunde Mäuse. Erfreulicherweise war die Ernte inzwischen beendet, und die Menschen hatten sich aus diesem Revier verzogen, um anderweitigen Beschäftigungen nachzugehen.
Dachte ich im ersten Moment. Dann aber wurde ich eines Besseren belehrt.
In der Scheune war jemand. Irgendwo hinter den Darren hörte ich es schnaufen. Im ersten Moment wollte ich weglaufen, aber dann besiegte mich wieder einmal die Neugier. Zu dem Schnaufen gesellte sich nämlich auch ein sehr gutturales Stöhnen aus weiblicher Kehle. Unzeitgemäße Paarung, schoss mir durch den Kopf. Menschlich. Eine menschliche Paarung hatte ich noch nicht erlebt, weshalb mein Wissensdurst befriedigt werden musste. Endlich lernte ich auch diese Facette ihres Lebens kennen.
Ich kann mich praktisch lautlos bewegen, und deshalb bemerkten die beiden mich nicht. Hach, war das ulkig! Auf ein paar Decken rangelten die beiden herum,sie in einem blauen Kleid, die Röcke bis zu den Ohren hochgeschlagen, und er mit blankem Hintern, mit strampelnden, dürren Beinen, die weiße Mönchskutte um die Brust geknüllt. Es schien ihnen große Mühe zu machen, zum Ziel zu kommen – kein Wunder, bei der Stellung. Hätte er ihr kräftig in den Nacken gebissen, hätte sie wohl schon still gehalten. Aber er biss ihr vorne ins Gesicht, was geradezu idiotisch war.
Meine Erheiterung steigerte sich noch, als ich erkannte, wer der Mönch war – niemand anderes als Diakon Arnoldus gab sich hier seinen Trieben ungehemmt, wenn auch unbeholfen hin. Mit der Frau, die neulich so viele Federn auf dem Kopf getragen hatte. Johanna van Heege. Heute hatte sie keine Federn im Haar, sondern trug es ziemlich aufgelöst bis zur Taille offen, mit ein paar Strohhalmen darin.
Wenn ich mich recht erinnerte, durfte Arnoldus das ja eigentlich nicht; die Klosterregeln verboten ihm jede Lüsternheit. Aber in diesem Fall hatte ich durchaus Verständnis für ihn. Frau Johanna hatte schon bei unserer ersten Begegnung ziemlich hitzige Blicke verströmt. Jeder Kater, der etwas auf sich hält, versucht da doch zu landen. Menschenkater bestimmt auch. Keuschheit ist wahrhaftig eine äußerst alberne Erfindung.
Ich war so versunken in meine Studien, dass ich die Schritte hinter mir überhörte. Erst als eine spöttische Stimme fragte: »Und, geht es voran, Diakon?«, bemerkte ich Meiko direkt neben mir.
Huch, was hatten diese Worte für eine Wirkung! Arnoldus hob sich beinahe senkrecht von seinem Lager,und Johanna quiekte wie ein verschrecktes Ferkel auf und zog sich den Rock über das Gesicht.
Meiko packte in aller Ruhe eine
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