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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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erfahrener Kater und trotz seines fehlenden Auges von großer Scharfsichtigkeit. Ihn wollte ich daher um Rat fragen.
    Ich trabte also zu seinem Friedhof und nahm seine Witterung auf. Er war in der Nähe, irgendwo hinter den steinernen Kreuzen, dort wo die ersten Tannen des Waldes dunkel aufragten. Sehr vorsichtig und leise näherte ich mich der Stelle, wo ich ihn vermutete. Richtig, auf einem moosigen Stein, der aus der Mauer gebrochen war, spielten Sonnenstrahlen auf schimmerndem schwarzen Fell und entlockten ihm blaue Glanzlichter. Diabolo schien sich sicher zu fühlen, denn seine Vorderpfoten waren lang ausgestreckt, sein Schwanz hing entspannt nach unten, und seine Augen waren geschlossen. Ein Ohr zuckte ganz leicht, als ich mich neben ihm niederließ, doch er blinzelte nicht. Auch nicht, als ich mich einfach nicht zurückhalten konnte, das schöne, sonnenwarme Fell zwischen Stirn und Nacken mit meiner Zunge zu bürsten. Man konnte nicht eigentlich von Schnurren sprechen, aber ein leichtes Vibrieren ging doch durch seinen Körper. Ich bürstete mit Hingabe weiter. Er schmeckte gut. Sauber, männlich, ein klein wenig harzig von seinem Lager unter den Nadelhölzern.
    »Was willst du, Mirrr-zaah?«, brummte er nach einer Weile.
    »Deinen Rat.«
    »Mrrrrrr.«
    Das bernsteinfarbene Auge öffnete sich und musterte mich, wie es schien, mit einem gewissen Wohlgefallen. Dann riss er sein Maul auf und präsentierte mir gähnend sein wahrhaft mörderisches Gebiss. Geschmeidig vollführte er sein Strecken und Recken, und ich bewunderte das Muskelspiel unter seinem glatten Pelz. Ein prachtvoller Kater.
    »Sonne oder Schatten?«, fragte er.
    »Sonne!«
    Ich folgte ihm auf eine erhöhte Stelle auf der Umfassungsmauer in der Nähe der uralten, knorrigen Eibe. Ein guter Ort zur Beratung. Wir setzten uns nebeneinander, und ich gab ihm eine Zusammenfassung meiner Beobachtungen und Gedanken, die er sich schweigend anhörte. Er schwieg auch anschließend noch eine ganze Weile, während er sich einige kleine Borkenstückchen aus der Tatze knabberte. Endlich sprach er. Was er erzählte, kam völlig unerwartet.
    »Vor vier Jahren war es. Ich hatte Sheena kennen gelernt, eine schöne, schlanke rote Kätzin. Der Schmied hatte sie eines Tages mitgebracht. Sie war eine gute Mauserin. Wir freundeten uns an. Sie bekam im späten Mai vier Junge, alle schwarz. Aber sie machte einen Fehler – sie brachte die Kleinen in den Pferdestall, bettete sie ausgerechnet in die Krippe von Arnoldus’ Gaul. Das Pferd kümmerte sich um die Kätzchen nicht. Aber der verdammte Mönch. Er bekam einen Wutanfall. Er warf die Jungen eins nach dem anderen an die Wand. Sheena und ich wollten ihm Einhalt gebieten. Meine Sheena trat er so, dass sie sich das Genick brach. Ich verlor mein Auge bei dem Kampf.«
    Ich krümmte mich zusammen, als hätte ich den Tritt bekommen. Das war schlimm, schlimmer, als ich gedacht hatte. Diabolos Abneigung den Menschen gegenüber wurde mir damit wesentlich erklärbarer.
    »Du wolltest einen Rat, Mirza. Reicht der dir?«
    Ich fuhr mir mit der Pfote über die Augen.
    »Nein, Diabolo. Ich weiß, Arnoldus ist gefährlich,er hasst uns, aus Gründen, die sogar die Menschen eigenartig finden. Aber er hasst auch die Menschen, für die ich Zuneigung empfinde. Ich werde sie beschützen, wie auch Sheena versucht hat, ihre Kinder zu beschützen.«
    »Warum fragst du mich dann um Rat?«
    »Weil du die, die hier leben, schon länger beobachtest. Ich suche nach Möglichkeiten... Wir können nicht gegen einen Tollwütigen kämpfen. Aber wir sind klüger als sie. Meinst du nicht auch?«
    Diabolo erlaubte sich ein kurzes, böses Grinsen. »Das sind wir.«
    Dann versank er wieder in Nachdenken. Aber so, wie seine Schnurrhaare zitterten, waren gewisse Gefühle mit im Spiel. Schließlich gab er mir einen Rat.
    »Wir müssen sie dazu bringen, gegeneinander zu kämpfen. Sie können es, und sie tun es. Selbst Melvinius hat ja neulich Arnoldus angefaucht. Und Meiko ist ein guter Raufer.«
    »Wohl wahr. Er hat einmal den Mattes aufs Kreuz gelegt. Außerdem trägt er einige Narben. Arnoldus vermutet, er sei zäh. Darum wollen sie ihn ja heimlich vergiften. Was immer das heißt.«
    »Ja... Gift. Das verwenden die Schlangen. Sie kämpfen nicht, sie töten hinterhältig.« Diabolo rieb sich heftig die Ohren. »Mirza, du hast gelernt, dich mit einigen von ihnen zu verständigen, scheint mir. Hören sie auf dich?«
    »Manchmal. Sie sind häufig sehr schwer von

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