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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Sonnenkringel malten. Ich bildete ebenfalls einen Kringel darauf, eine meiner bevorzugten Schlafhaltungen.
    Ein feines Wispern und das unbehagliche Gefühl, eindringlich beobachtet zu werden, weckten mich auf. Sofort spannte ich meine Muskeln an, um nötigenfalls unverzüglich die Flucht anzutreten.
    Es erwies sich als überflüssig, und nur mein Schwanz zuckte noch einmal in leiser Panik auf. Aber der verstand ja sowieso nie etwas.
    Es war Kristin, die ganz nahe bei mir im Gras saß und sich mit Farbstiften und einem Karton beschäftigte. Eben bewegte sich ihre rechte Hand flink über das Papier, dann hob sie wieder die Augen und sah zu mir hin.
    »Ah, Mirza, aufgewacht? Fein, dann sehe ich deine Augen auch richtig. Was bist du für eine hübsche Katze!«
    Das hört man immer gerne, und ich schenkte ihr ein beifälliges Zwinkern. Den Schatten, der über sie fiel, bemerkte sie nur einen Lidschlag später als ich.
    »Vollendet, Jungfer Kristin. Eine höchst lebendige Darstellung dieses possierlichen Tierchens.«
    »Meiko!«
    »Genau der«, antwortete er mit einem kleinen Lachen und setzte sich mit gekreuzten Beinen neben sie ins Gras. »Ich dachte mir schon, dass Ihr ein sehr talentiertes junges Weib seid. Womit zeichnet Ihr das? Es trifft die Farben sehr genau.«
    Kristin schien noch ein wenig misstrauisch zu sein, aber dann gab sie doch Auskunft.
    »Weiße Kreide, schwarze Kohle und Rötel. Ich mache damit gelegentlich Skizzen für meinen Bruder.« »Und zu Eurem eigenen Vergnügen, wie ich sehe.« »Ich... ich wollte Pater Melvinius damit eine
    Freude bereiten.«
    »Das werdet Ihr ganz bestimmt. Eine wunderbare Idee, Jungfer Kristin.«
    Er sah auf den Karton und wieder zu mir hin, und mich packte die Neugier. Gemächlich, um sie nicht zu deutlich zu zeigen, schlenderte ich zu den beiden Menschen hin und beäugte ebenfalls das Bild.
    Ah, es war hinreißend. Vollendet, wahrhaftig. Ein Meisterwerk! Ich – ganz wie ich lebte. Mit roten Ohren und schwarzem Schwanz, weiß dazwischen mit einigen Flecken. In elegantester Ruhehaltung. Kristin verdiente Lob, und ich rieb mich an ihrem Bein.
    »Gefällt es dir, Mirza?«
    »Mau! Mirrrip!«
    Sie kraulte mich, und ich schnurrte beglückt.
    Meiko kraulte mich auch, und in meinem Fell trafen sich Kristins und seine Finger. Es gab kleine Funken zwischen ihnen, die mir ein leises Kribbeln verursachten.
    Kristin zog die Hand fort.
    Schade.
    »Ein verschmustes Geschöpf, diese Mirza. Ich mag Katzen sehr, Jungfer Kristin.«
    »Ach ja?«
    »Oh ja. Und einige von ihnen scheinen mich auch zu mögen. Wir hatten mal einen prächtigen Schiffskater, der seine Wohnung in meiner Koje nahm. Wir teilten viele stürmische Nächte miteinander. Er wärmte mich nicht nur, sondern war auch ein guter Zuhörer und lauschte mit Hingabe meinen hochfliegenden Plänen und Träumen. Ich fühlte mich von ihm immer sehr ernst genommen.«
    Auf Kristins Gesicht entstand ein zögerndes Lächeln, und ihre Zurückhaltung wich allmählich ihrer Wissbegier.
    »Katzen auf Schiffen? Ist das nicht sehr ungewöhnlich?«
    »Nein, sogar durchaus üblich.«
    Kristin sah verwundert drein.
    »Aber warum?«
    »Jungfer Kristin, ein Schiff, das lange unterwegs ist, hat Proviant dabei. Zwieback, Mehl, Käse, Fleisch... Und die Seeleute teilen nicht gerne mit den Mäusen und Ratten. Darum erfreut sich die Schiffskatze großer Beliebtheit und hat einiges zu tun. Denn auch die Fracht ist durch die Nager gefährdet. Sie knabbern Säcke an, Stoffballen und Leder. Mir hat eine Ratte einmal einen halben Stiefel aufgefressen. Bevor Kasimir bei mir einzog.«
    »Kasimir?«
    »So nannte ich den Kater. Er war ein strammer Kerl, und wenn wir einen Hafen anliefen, dann hatte aucher immer Landgang. Er nutzte es weidlich aus, wie es schien, aber irgendwie merkte er sich immer, wann wir wieder ausliefen, und war pünktlich zur Stelle. Nicht selten allerdings mit Schrammen und Kratzern von seinen Balgereien. Ganz wie wir Männer auch!«
    »Aber er hatte nie einen Kater, wie Ihr Männer?«
    Meiko lachte.
    »Nein, aber einmal brachte er eine Katze mit.« »Oh!«
    »Im Hafen von Ankara – oder Angora, wie man es auch nennt – war es, und sie war ein ungewöhnliches Tier mit einem langen, seidigen Fell. Vielleicht war es einem Serail entwichen, denn es war sehr verwöhnt und anhänglich. Kasimir kümmerte sich um die Kätzin und brachte ihr Mäuse mit. Sie selbst zu fangen, dazu schien sie sich zu fein zu sein. Aber sie schmeichelte sich beim

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