Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
und ich konnte nur noch zum Waldrand fliehen. Dort, auf dem offenen Feld hätte mich der Jäger wiederum treffen können, wenn nicht der Junge auf seinem Pferd aufgetaucht wäre. Er kam dem Köter in die Quere und lenkte ihn für kurze Zeit ab. Das reichte mir, um im Dickicht zu verschwinden und mich tiefer in den Wald zu flüchten. Hoch auf den Bäumen war ich vor dem Hund sicher. Ich fürchte allerdings, ich habe dabei die Frau aufgeschreckt, die dort Pilze sammeln wollte.«
Ich erinnerte mich an Kristin, die am Räucherhaus völlig aufgelöst in Meikos Arme gestürzt war, und nickte.
»Wie wollen sie Jehan verschwinden lassen?«
»Sie haben einen Plan, den ich nicht ganz verstanden habe. Aber du wirst damit etwas anfangen können, Fratz! Du kennst die Menschen besser als ich. Sie entschieden, Arnoldus solle einer Ermine eine Botschaft übergeben, die sie zu einem Stelldichein mit Sivert am Finkenpütz bittet. Jehan soll ihr den Weg dahin zeigen.«
»Ermine lebt auf dem Clarenhof, wie Jehan. Sie soll die neue Herrin von Rommerskirchen werden. Sivert tändelt auch mit ihr herum.«
»Ah so. Wenn sie dort ankommen, werden sie den Jungen von ihr trennen, in den Wald locken und die Hundemeute auf ihn hetzen. Es wird wohl nicht viel von ihm übrig bleiben.«
Mir wollte es vorkommen, als ob meine roten Ohren zu glühen anfingen, eine solche Wut packte mich.
»Ruhig, Mirrr-zaah, ruhig!«, schnurrte Diabolo. »Noch haben sie ihn nicht.«
»Und sie werden ihn auch nicht kriegen!«, fauchte ich.
»Was willst du tun?«
Das war eine gute Frage. Ich musste darüber nachdenken. Diabolo und Raguna ließen mir Zeit, während ich mich mit Mühe beruhigte, um meine Gedanken zu ordnen. Es gelang mir schließlich, und mit einiger Erleichterung wurde mir klar, dass wir uns gar nicht derartige Sorgen machen mussten.
»Meiko ist bei Jehan auf dem Clarenhof. Er weißvon der Gefahr, die auch dem Jungen droht. Er wird ihn ganz bestimmt nicht alleine mit Ermine in den Wald gehen lassen.«
»Hoffen wir das. Was willst du nun tun, da du den Feenstein erbeutet hast, Mirza?«
»Du hast mir versprochen, mich zur Quelle der Herrin zu führen, Gevatterin. Dort will ich ihn in das Wasser werfen.«
»Gut denn. Wir brechen im Morgengrauen auf. Aber«, Raguna hob witternd die Nase, »es wird Sturm geben. Heftigen Sturm. Sehr bald.«
Ich hatte es befürchtet. Aber bleiben konnten wir hier in Rommerskirchen mit all den Menschen und Hunden auch nicht.
»Wir brechen in der Morgendämmerung auf!«
Und dann würde in einer anderen Welt endlich eine Wunde geheilt werden und ein leidvolles Kapitel aus alter Zeit ein glückliches Ende finden.
Dachte ich Dummkopf.
Ein windiges Kapitel
Auch an diesem Morgen herrschte dichter Nebel, als wir aufbrachen. Feine Tröpfchen hingen an den allmählich sich gelb, rot und braun verfärbenden Blättern der Heckensträucher und nässten uns das Fell, als wir darunter zum Waldrand wanderten. Es war ungewöhnlich windstill, und dennoch trug die feuchte Luft Gerüche und Laute aus weiter Entfernung zu uns hin. Zum Glück war nichts darunter, das bedrohlicher klang als das Muhen einer Kuh, das verschlafene Schnattern einer Gans und das Rascheln des Geästes, in dem die Vögel erwachten. Dennoch waren wir drei froh, als uns der schützende Wald umgab. Ich trug zwischen meinen Zähnen das Beutelchen mit dem Feenstein, und wenn es auch nicht viel schwerer war als ein zwei Wochen altes Kätzchen, so war es doch lästig, denn es trocknete mir Zunge und Rachen aus, mit halb geöffnetem Maul zu laufen. Immer wieder musste ich es ablegen, um etwas Speichel zu sammeln. Wir kamen nicht so schnell voran wie auf dem Hinweg, und als die Helligkeit zunahm, war ich froh, als Raguna eine kleine Anhöhe für die Rast wählte.
Nach dem Verzehr dreier unvorsichtiger, herbstlich fetter Wühlmäuse sank ich in einen verdienten Schlaf, das Beutelchen unter meinem Bauch wohl verwahrt.
Ich erwachte, weil etwas an meinen Ohren zerrteund mein Fell zerzauste. Blinzelnd lauschte ich dem heftigen Rauschen über mir und sah die Blätter in der Luft tanzen. Der Wind, den wir erwartet hatten, fegte durch den Wald.
»Machen wir, dass wir weiter kommen. Und haltet Ausschau nach einer Höhle, es wird noch stärker!«, mahnte Raguna.
Sie hatte nicht Unrecht. Der Weg, der sich jetzt sehr abschüssig gestaltete, wurde immer beschwerlicher, denn nicht nur Laub wurde von den Bäumen gefetzt, auch Tannenzapfen und Zweige prasselten herunter. Zwar
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