Die Lautenspielerin - Roman
braunen Pferd ritt. Als er zu ihr hinsah, wandte sie sich ab. Sein Mitleid wollte sie nicht.
Stefan, ein Knecht des Kaufmanns, dem ein Spieß die Haut in Hüfthöhe aufgerissen hatte, sah zur anderen Seite hinaus. »Wie lange noch bis Hanau, Meister Hippolyt?«
»Wenn wir den Bauern eben richtig verstanden haben, sind wir in ein bis zwei Stunden da. Wie fühlt sich die Wunde an?«
»Bah, hab’ Schlimmeres erlebt, aber kaum einen besseren Medicus als Euch.« Stefan zog den Kopf zurück und grinste. »Wie ist es bei dir, Gero? Warst du auch Soldat?«
»Bevor ich zu Junker Rechberg kam, war ich als Söldner in Böhmen und Ungarn, wo wir gegen die Türken gekämpft haben. Übel, kann ich nur sagen. Die haben dich angelacht und dir den Krummdolch über den Leib gezogen«, antwortete Gero, dem das Atmen schwerfiel. »Teuflisches Pack, grausam, hinterhältig und unsittlich, sie erlauben dort die Vielweiberei! Unser Luther hat geschrieben, dass sie die Ehe nicht achten und zehn, zwanzig Weiber haben oder verkaufen können, wie es ihnen gefällt. Ihr Koran sagt, dass sie die Ungläubigen mit Lügen, Listen und dem Schwert vernichten sollen. Räuberisches Pack.«
Stefan verzog den Mund. »Wobei diese Landsknechte und Söldner, die uns überfallen haben, kaum besser zu nennen sind …«
»Wohl nicht«, meinte Endres trocken und sah seine Tochter an, die mit versteinerter Miene neben ihm saß. »Deine Laute ist unversehrt. Sie liegt dort auf der Ablage.«
»Oh, wirklich?« Einen kurzen Moment leuchteten ihre Augen
auf, doch sie machte keine Anstalten, nach dem Instrument zu greifen.
»Die Laute!«, ätzte Cosmè. »Die wertvollen Stoffe und fast alles Geld haben sie mitgenommen! Zum Glück habe ich Goldmünzen in meinen Gürtel eingenäht. Die haben sie nicht erwischt!«
»Nur, weil wir rechtzeitig gekommen sind, Kaufmann«, meinte Gero. »Sonst hättet Ihr Euren letzten Atemzug ausgehaucht.«
Unter derlei Wortwechseln näherten sie sich Hanau. Von den Knechten des Kaufmanns hatten vier überlebt. Einer hatte den Platz des erschossenen Kutschers eingenommen. Die anderen ritten nebenher und hielten nach weiterem Gesindel Ausschau, doch bis Hanau blieben sie unbehelligt. Die Straße belebte sich, je näher sie der Krönungsstadt Frankfurt kamen. Maultiertreiber, Ochsenkarren und Straßenhändler waren immer häufiger anzutreffen, und kurz vor Hanau holten sie den eleganten Wagen eines Frankfurter Ratsherrn ein, der ebenfalls in Hanau Station machen wollte. Vor den Stadttoren baumelten zwei Verurteilte am Galgen, um Gesindel abzuschrecken. Als der beleibte Ratsherr vom Unglück der Reisegruppe erfuhr, erbot er sich, Cosmè Geld über seine Bank anweisen zu lassen, weshalb sie das beste Gasthaus des kleinen Städtchens in Anspruch nehmen konnten.
Sie erreichten ihre Unterkunft zur Essenszeit. Im gut gefüllten Schankraum kannte man den Ratsherrn, innerhalb weniger Minuten wurden ihnen Tische und Quartiere zugewiesen. Die Knechte, die sich so tapfer geschlagen hatten, wurden auf zwei Kammern aufgeteilt, Hippolyt, Gerwin und Gero bekamen einen Raum, und danach blieb nur noch ein Zimmer mit vier Schlafgelegenheiten übrig.
Unschlüssig sah der Wirt, ein krummbeiniger Mann mit schlauen kleinen Augen, sie an. »Ihr drei könnt Euch den Raum teilen. Es sind zwei große Betten darinnen, weich und sauber. Das Stroh wird bei uns wöchentlich gewechselt. Wenn Ihr frisches Leinen wollt, kostet das extra.«
»Natürlich wollen wir sauberes Leinen!«, sagte Cosmè.
»Schlimm, diese Straßenräuber!« Der Wirt warf einen mitfühlenden Blick auf Jeanne, deren Gesicht sich anfühlte, als wäre es auf Kürbisgröße geschwollen. Er führte sie eine schmale Holztreppe hinauf, wobei Jeanne ihren Mann stützte, und stieß die Tür zu einem geräumigen Zimmer auf. »Wenn Ihr morgen früh dort zum Fenster hinausseht, könnt Ihr bei gutem Wetter den Main sehen. Wir haben Glück, dass Frankfurt nahe ist. Schon oft hat die Stadt uns geholfen bei Übergriffen von marodierenden Söldnerbanden oder allzu gierigen Landvögten. Aber wie es scheint, braucht es noch sehr viel mehr Patrouillen.« Geschäftig entzündete der Wirt eine Öllampe und eine Kerze.
Jeanne konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, doch vor allem wollte sie sich endlich säubern. »Ein Bad«, sagte sie leise.
Endres gab ihren Wunsch nach einem heißen Zuber weiter, und der Wirt konnte auch damit dienen. »Unten. Ich lasse es für Euch richten.« Sein Blick fiel auf
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