Die Lautenspielerin - Roman
wir werden ihn überlisten.«
»Ihr seid ja wahnsinnig! Alle miteinander! Die Herzogin ist ein wunderbarer Mensch. Sie hat an allem keine Schuld. Lasst sie da raus!«, forderte Jeanne. »Und im Übrigen werde ich nichts von dem tun, was Ihr verlangt, und nach Pierre rufen!«
»Macht das, und Euer Mann wird glücklich sein zu erfahren, dass seine Gattin ihm Hörner aufsetzt.«
»Ich habe konzertiert - und das bei einer Freundin, Lady Dousabella. Dagegen hat Cosmè nichts, ganz im Gegenteil.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht! Ich kenne die strengen Moralapostel des consistoire , der richtige Verdacht, hier und dort gestreut …«
Die Räder ratterten laut über die unebenen Steine, durch das Fenster schlug kühle, feuchte Nachtluft herein. Es roch nach Flussschlamm, altem Fisch und Kot.
»Und wenn ich es so bedenke, habe ich auch schon den passenden Liebhaber - den jungen deutschen Medicus!«, schleuderte Bergier ihr triumphierend entgegen. »Ich habe Euch beobachtet. Wie die Turteltäubchen!« Er lachte gehässig auf.
»Das ist eine Lüge!«
»Wie gesagt, Euer werter Gatte ist ein besonders gestrenger Glaubensbruder. Er würde nicht zögern, Euch und Euren Vater auf die Straße zu setzen - natürlich, nachdem er Euch bestraft hat.«
Jeanne rang die Hände. »Habt Ihr nicht genug Unglück über uns gebracht? In Gottes Namen, ich tue, was Ihr verlangt, und jetzt verschwindet endlich!«
»Meine Empfehlungen an den Herrn Gemahl, und vergesst nicht: Bernard aus dem Languedoc, erstklassiger Clairette ist meine Spezialität.« Er stieß die Wagentür auf und sprang auf die Straße.
Jeanne schloss die Augen. Wenn Cosmè sie verstieß, wären sie noch schlechter dran als vor ihrer Ehe, denn jetzt war ihr Vater kränklich, und sie hatten keine Ersparnisse. Cosmè würde sie bestrafen lassen, aus der hugenottischen Gemeinde verstoßen und ihnen damit die Türen aller aufrechten Glaubensgenossen verschließen. In Frankreich herrschte Krieg. Sie musste die Entdeckung ihres Onkels hier in Paris verhindern. Jeden, den sie um Hilfe bitten könnte, würde sie in Lebensgefahr bringen. Die Herzogin de Nemours war tolerant, doch nicht, wenn es ihre Familie
betraf. Und wenn es um den Tod des allseits verehrten und mittlerweile glorifizierten François de Guise ging, war keinem Mitglied der Guisen zu trauen. Unter den gegenwärtigen Umständen gab sie im Fall einer Aufdeckung ihrer Verwandtschaft mit einem Mörder des Herzogs de Guise keinen müden Centime für ihr Leben oder das ihres Vaters.
Der Wind stand ungünstig und wehte ihr den Gestank verfaulender Leichname vom Cimetière des Innocents in die Nase. Der größte Friedhof von Paris lag nördlich der Rue Saint-Honoré und bot trotz seiner Größe nicht genügend Platz für all die Toten. Immer wieder brachen in Teilen der Stadt Seuchen aus und forderten Hunderte und Tausende von Opfern innerhalb kürzester Zeit. Schon lange gab es keine anständigen Grabstellen mehr, die meisten Leichname endeten in Massengräbern, doch selbst diese waren voll. Weil die Körper keine Zeit zum Verwesen hatten und nicht genügend tief in der Erde lagen, stank der Verwesungsgeruch zum Himmel.
Gerwin und Seraphin saßen an der Tafel von Lady Dousabella. Ehrengast war der neu ernannte Botschafter Ihrer Majestät Elisabeth I., Francis Walsingham, der Paris noch heute Mittag Richtung Blois verlassen würde.
»Auf unsere reizende Gastgeberin, Lady Dousabella!«, sagte Walsingham und hob sein Glas.
»Gute Reise, mein lieber Walsingham!«, erwiderte Lady Dousabella, die heute ein schlichtes, doch höchst kostbares Kleid trug, dessen flammendes Rot ihre Haare und den schneeweißen Teint leuchten ließ.
Gerwin hatte wohl bemerkt, dass Seraphin ganz hingerissen von der Engländerin war, und seine Bewunderung schien auf fruchtbaren Boden zu fallen. »Monsieur, darf ich fragen, was neben einem möglichen Frieden Gegenstand der Verhandlungen mit der Königinmutter sein wird?«, erkundigte sich Gerwin, der
Walsingham nicht durchschaute. Der Mann war wie ein Aal, den man nicht greifen konnte. Doch er schien über alles Bescheid zu wissen und verfügte über eine schier unendliche Fülle an Informationen. Das Einzige, wozu Walsingham sich ohne Umschweife bekannte, war seine unverbrüchliche Loyalität seiner Königin gegenüber.
Die intelligenten dunklen Augen des Botschafters wurden schmal. Er überlegte kurz, bevor er sich äußerte. »Nun, Königin Johanna von Navarra ist auf
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