Die Lautenspielerin - Roman
Johanna wird die Hochzeit ihres Sohnes nicht erleben.«
»Der arme Heinrich, dann steht er ganz allein gegen die Guisen und die Valois’«, meinte Jeanne traurig. Die Lage schien aussichtslos.
36
Das Fell des Grauschimmels glänzte. Sie waren scharf geritten, und die Augustsonne brannte auf Pferd und Reiter herab. Beide waren verschwitzt, und dem Pferd tropfte Schaum aus Nüstern und Maul. Seit Châlons war Gerwin von einer Rastlosigkeit, die ihn selbst überraschte. Er sehnte sich nach Hippolyt, Seraphin und der Frau, die ihm so viele Rätsel aufgab. Die kleine silberne Brosche, die sie ihm zurückgegeben hatte, steckte in seinem Gürtelbeutel.
Die unübersichtlichen und trotz königlicher Patrouillen gefährlichen Wege des Bois de Vincennes lagen hinter ihm, und er hörte bereits die Glocken der Kirchen von Paris. Der Andrang vor den Stadttoren war gewaltig. Hugenotten aus ganz Frankreich hatten sich aufgemacht, die Hochzeit ihres Heinrich von Navarra mit der katholischen Prinzessin Margot de Valois zu sehen. Eine lange Schlange schwarz gekleideter Männer und Frauen wartete geduldig auf Einlass. Die Menschenmenge flößte Gerwin Unbehagen ein, nicht, weil er sich vor Menschenaufläufen fürchtete, sondern weil er sich vorstellte, wie die Katholiken auf die unerwünschten Hochzeitsgäste in ihrer provozierend schlichten Kleidung und mit dem strengen Gebaren reagieren würden.
Er drängte sein Pferd aus der Menge heraus und stieg ab, als er einen Wasserträger sah. Die Leute fielen in der Hitze um wie die Fliegen, von denen Tausende über den übel ausdünstenden Wartenden schwirrten. »Was kosten ein Eimer Wasser für mein Pferd und eine Kanne für mich?«
Der krummbeinige Kerl schwang seinen Wassersack nach vorn, dass die Zinnbecher an seinem Gürtel klapperten, und schnarrte mit hängender Unterlippe: »Für Euren Gaul? Ei, das wird teuer, Monsieur! Ich schenk’ nur Becher aus, für einen Heller.«
»Was? Das ist ja Wucher! Einen Heller für Wasser, das du aus der Seine schöpfst?«
»Dann geht doch selbst und holt Euch welches! Was seid Ihr überhaupt für einer, ein Jude?«, fragte der Mann argwöhnisch mit Blick auf Gerwins lange Haare, den vollen Bart, das feine Leinenhemd und das teure Sattelzeug.
»Ein Christ bin ich, wenn’s recht ist. Und jetzt gib mir zwei Becher und mach diesen Ledersack voll.« Er hängte seinem Pferd den Futtersack um, der auch Wasser hielt.
Der schöne Grauschimmel war ein Geschenk von Eli, genau wie die gute Kleidung, die Gerwin trug. In Katzenberg hatte er einen geistreichen Freund gefunden, dessen Großzügigkeit ihn in Verlegenheit gebracht hatte. Er musste noch jetzt lächeln, wenn er daran dachte, wie Eli mit den Händen wedelte und sagte: »Wärmen mir die goldenen Talerchen im Grab einst die Füße? Nein! Also nimm und denk an den alten Juden und tanz mit einem hübschen Fräuleinchen in den Mai!«
»Eh, Euer Wasser, Monsieur!« Der Krummbeinige hielt ihm einen Becher vor die Nase.
Gerwin schnüffelte. Es roch nicht faulig und sah klar aus.
»Ist Euch mein Wasser nicht gut genug? Wer meint Ihr zu sein mit Eurem seltsamen Dialekt?«, blies der beleidigte Wasserträger sich auf.
»Hier - und jetzt halt dein Maul!« Gerwin drückte dem Mann, der die Aufmerksamkeit der Stadtwache auf sie zu ziehen begann, zwei Silberlinge in die Hand. Durstig stürzte er den Becher hinunter. »Und jetzt gib dem Pferd!«
Der Wasserträger prüfte die Münzen mit den Zähnen und goss Wasser in den Futtersack. Gierig soff das durstige Tier, und Gerwin klopfte ihm die zitternden Flanken.
Der Krummbeinige schulterte seinen Sack und zog schimpfend weiter: »Fremde, Ketzerpack allesamt! Der Tag kommt, an dem wir unser schönes Paris von allem Ungeziefer befreien …«
Gerwin hörte nicht länger zu, sondern rieb sein Reittier trocken, um sich bald darauf wieder in die Schlange der Wartenden einzureihen. Auf den Monat genau vor zwei Jahren hatte er die Stadt verlassen. Zwei Jahre, dachte er, und was hat sich geändert? Die große Hochzeit, auf der alle Hoffnungen ruhten, die verfeindeten Konfessionen endgültig zu versöhnen, stand bevor, doch selbst der einfachste Wasserträger spie seinen Hass laut heraus. Zweifelnd beobachtete Gerwin die lärmende Menge, die aus den entlegensten Winkeln des Landes kam, um dem gepriesenen Ereignis beizuwohnen.
In der Stadt folgte Gerwin der Seine bis nach Saint-Germain, denn er hoffte, Hippolyt im Hôtel Condé anzutreffen. Hinter Metz war er auf
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