Die Lavendelschlacht
herum?!«
Mona probierte, mich vom Flur ins Wohnzimmer zu bugsieren. Keine Chance. Ich stand da wie festgewachsen. Es gab haufenweise Singles – in Großstädten waren sie sogar knapp in der Überzahl -, warum musste es ausgerechnet Kai sein?! Der Bruder des Mannes, der meine Zukunft ruiniert hatte. Thomas, Amelie, Kai – unter den gegebenen Umständen hätte ich das Zeug zum kaltblütigen Sippenmörder gehabt.
»Jetzt beruhige dich doch, Annette. Eigentlich wollten wir es dir schon viel früher sagen.«
Auch das noch, es gab also bereits ein »Wir«. Meine vage Hoffnung, dass es sich um einen einmaligen Ausrutscher handeln könnte, löste sich in Luft auf. Plötzlich erinnerte ich mich wieder an die Szene an der U-Bahn-Rolltreppe. Also war das Kais Arm gewesen!
»Überläuferin! Verräterin!«, zischte ich.
Kai hatte es sich auf der Bettkante gemütlich gemacht. Dafür, dass er der Auslöser dieses Spektakels war, wirkte er erstaunlich unbeteiligt. Fast wie die Zuschauer eines Fußballspiels. Nur waren die in aller Regel nicht splitterfasernackt.
»Jetzt zieh dir doch endlich was über!«, herrschte Mona ihn an. Aufgeregt wühlte sie in ihrem Kleiderschrank, wobei diverse Pullover und T-Shirts auf dem Boden landeten. Sie zerrte einen Bademantel hervor, den sie ihm zuwarf. »Mensch, Kai, sag doch auch mal was!«
Kai sah in Monas weißem Frotteebademantel zum Schießen aus. Die Ärmel reichten knapp über die Ellenbogen, der untere Saum endete irgendwo in der Mitte der Oberschenkel. »Was soll ich denn sagen?«, fragte er verdutzt.
»Keine Ahnung.« Ratlos zuckte sie die Schultern.
»Verdammt, macht denn hier eigentlich jeder, was er will?« Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich ließ beides und gestikulierte stattdessen aufgeregt in der Luft herum, wobei ich Kai um ein Haar einen rechten Schwinger verpasst hätte. Verdient hätte er’s! »Das könnt ihr mir doch nicht antun. Mona, wir sind doch Freundinnen! Und was wird aus unseren Plänen? Hey, wir wollten doch zusammenziehen!«
»Jetzt wart’s doch erst mal ab und beruhige dich«, flehte Mona mich an. »Schließlich hockt Thomas immer noch in deiner Wohnung. Denk bloß an die Jungs von der Hafenstraße, so eine Hausbesetzung kann dauern.« Der Vergleich hinkte nicht, er robbte förmlich über den Boden. »Außerdem ist es ja auch möglich, dass es mit Kai und mir auf Dauer gar nicht klappt«, zog sie alle Register.
Kai schien da gänzlich anderer Meinung zu sein. Er warf Mona einen halb gekränkten, halb vorwurfsvollen Blick zu. Oh, oh, wenn das mal keinen Ärger gab!
Mit einer Tasse Kaffee, ein paar Plätzchen und dem befriedigenden Gefühl im Bauch, für etwas Zwietracht unter den Verliebten gesorgt zu haben, rauschte ich eine halbe Stunde später von dannen.
Auf der Rückfahrt stellte ich im Geiste eine Top-Ten-Liste meiner aktuellen Probleme auf. Ich begann von hinten. Die Sache zwischen Kai und Mona würde sich von allein erledigen. Spätestens dann, wenn meine Freundin spitzbekam, dass Kai die gleiche Mistkerl-DNA in sich trug wie sein Bruder, würde sie ihm ganz schnell den Laufpass geben. Hoffentlich richtete er bis dahin nicht allzu viel Unheil an!
Und was meine Katzenallergie betraf: Wenn ich das Arbeitszimmer wie Fort Knox verriegelte und verrammelte und mir das Luder auf diese Weise vom Hals hielt, würde ich die eine Woche schon irgendwie überstehen.
Zum Glück war ich in diesem Moment vor unserem Haus angekommen, und so blieb es mir erspart, mich mit den Spitzenreitern meiner Probleme auseinander zu setzen.
Nachdem der erste Niesflash vorüber war, stellte ich mit Genugtuung fest, dass Thomas sich mit dem neuen Logiergast ein Eigentor geschossen hatte. Er war völlig aus dem Häuschen, schrie und tobte. Lili hatte nämlich nicht nur versäumt, ihm mitzuteilen, auf welchen Namen ihr kleiner Liebling hörte, leider hatte sie auch vergessen, ihn darauf hinzuweisen, dass das Tierchen unter einer Blasenschwäche litt. Vielleicht hatte das Vieh aber auch aus purer Bösartigkeit auf Thomas’ neusten Entwurf draufgestrullert.
Fünfzehn
Panisch lief ich vor dem geöffneten Kleiderschrank auf und ab. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, fluchte ich.
Ich hielt mir ein anthrazitfarbenes Kostüm vor den Körper und begutachtete mich im Spiegel. Och ne! Vielleicht doch lieber einen Hosenanzug?
Thomas hatte das nie begriffen. Es war weit über seinen Horizont hinausgegangen, dass ein überquellender Kleiderschrank noch lange
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