Die Lazarus-Formel
Doktor Sinclair«, sagte er mit einer leichten Verbeugung. »Wo ist Ihr Beschützer? Ich hatte gehofft, ihn hier anzutreffen.«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Eve. »Wir haben ihn zurückgelassen.«
»Das ist bedauerlich. Aber aus irgendeinem Grund scheint er Sie zu brauchen. Also werden wir Sie mit uns nehmen, und früher oder später wird er kommen, um sie zu befreien.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach ihm Eve. »Wozu auch immer er mich brauchen mochte, hatte etwas mit diesem Baum zu tun.« Sie deutete auf den Aesirianer mit Flammenwerfer. »Wenn er vernichtet ist, bin ich für ihn nutzlos.«
»Abwarten«, sagte Kabir. »Diesen hier werden wir vernichten. Aber wir werden einen Sprössling mit uns nehmen. An dem können Sie dann forschen. Sogar eine ganze Ewigkeit lang, wenn es sein muss.«
»Sie bieten mir ewiges Leben an und die Möglichkeit, das Geheimnis des Baums zu ergründen?«, fragte Eve erstaunt.
»Ist es nicht das, was Sie von Anfang an wollten?«
»Sie bluffen«, sagte sie. »Sobald Sie Ben haben, töten Sie mich.«
»Nicht zwingend, Doktor Sinclair«, wiegelte Kabir ab. »Wenn Sie kooperieren und uns helfen, ihn in unsere Hände zu bekommen, könnten Sie durchaus eine von uns werden.«
»Selbst wenn es so wäre«, entgegnete Eve, »ich dürfte das Ergebnis meiner Forschung niemals mit jemandem teilen. Das sehe ich doch richtig, oder?«
»Das sehen Sie richtig«, räumte er ein. »Aber bedenken Sie die Alternative, Doktor Sinclair.«
»Die wäre?«
Er zuckte mit den breiten Schultern. »Sie sterben jetzt und hier. Ebenfalls ohne das Geheimnis mit jemandem geteilt zu haben. Ohne das Geheimnis überhaupt erst enträtselt zu haben. Ihre Entscheidung.«
»Lassen Sie mich raten«, sagte Eve. »Wenn Sie tatsächlich Ihr Versprechen halten und mich nicht nur unsterblich machen, sondern mich auch das Geheimnis des Baums entschlüsseln lassen, werden Sie mich auf ewig in Gefangenschaft halten, um zu verhindern, dass ich es preisgebe.«
»Oh, es gibt durchaus sehr schöne Gefängnisse«, meinte er. »Stellen Sie sich zweihundert Jahre auf einer privaten Karibikinsel vor. Mit so vielen Sklaven, wie Sie wollen, komplett eingerichteten Laboratorien und jeder Art von Entertainment, die Sie wünschen. Und wenn Sie dann zu viel von der Sonne haben und dem Meer, vielleicht ein paar Jahrzehnte in einem abgelegenen Bergdorf in Tibet. Danach möglicherweise die Wildnis Kanadas. Die Welt wäre Ihr eigener grenzenloser … na ja, fast grenzenloser Spielplatz.«
»Ich dürfte nur keinen Kontakt zu ihr haben, zu der Welt, meine ich.«
»Aber dafür hätten Sie Zeit, jedes Geheimnis dieses Planeten zu erforschen«, hielt Kabir dagegen.
»Schon klar.« Eve lachte bitter. »Sie würden sich die Mühe machen, mich, das permanente Sicherheitsrisiko, je nach meinen Launen von einem Gefängnis ins nächste zu chauffieren, statt mich einfach, nachdem Sie Ben haben, zu töten. Ich glaube eher nicht.«
»Sie hatten recht«, sagte Kabir mit einem Grinsen. »Ich habe geblufft. Aber den Versuch war es wert. Also, was darf es sein? Jetzt sterben oder vorher wenigstens noch das Geheimnis lüften, auch wenn die Welt daran nicht teilhaben wird?«
»Schluss mit dem Gefasel«, brüllte Bischof Wall dazwischen. »Tötet die Bastarde!«
Und das Sterben begann.
83
»In Deckung!«, schrie Margaret und warf sich zu Boden, noch ehe die ersten Schüsse fielen. Doch Eve brauchte die Warnung nicht. Auch sie hatte sich reaktionsschnell sofort fallen lassen. Von allen Seiten ertönte das ohrenbetäubende Hämmern der MP is, und die Mündungsfeuer tauchten die Halle in ein Inferno zuckender gelbweißer Blitze.
Eve robbte auf Ellbogen und Knien zur Eibe, um dahinter Deckung zu finden. Neben ihr schlug die Leiche eines der Hüter auf, die Kutte übersät mit Einschusslöchern. Sie schrie auf und krabbelte weiter, hoffend, dass Margaret ihr in den Schutz des Baums folgte.
Aus den Augenwinkeln heraus sah sie eine Bewegung. Es war Bischof Wall, der gebückt von der anderen Seite zur Eibe rannte und dann in aller Eile die roten Früchte abriss und sie sich in den Mund schaufelte.
Sie rollte sich hinter das knorrige Wurzelwerk und zog die zweite Pistole aus dem Holster unter ihrer Jacke. Jetzt war sie bereit zu töten. Sie lud die Waffe durch und entsicherte sie. Es war für sie selbst erschreckend, wie schnell sie gelernt hatte, mit der Pistole umzugehen.
Bischof Wall sprang von der anderen Seite her hinter den Baum. Und damit
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