Die Lazarus-Formel
sie über einen enthaupteten Körper stolperte und zu Boden fiel.
Sie atmete so gleichmäßig wie möglich, um das Bewusstsein nicht zu verlieren, und sah, wie sich Kabir auf Ben stürzte. Dabei griff er mit beiden Händen nach hinten zum unteren Teil seines Rückens und zog unter seiner Jacke zwei halblange Samurai-Schwerter hervor.
Ben rannte ihm entgegen – im Lauf seine Klingen in Abwehr- und Angriffsposition bringend.
Vielleicht lag es an ihrer Benommenheit und an dem durch den Schlag an die Schläfe gefährlich rot umrahmten Sehfeld, aber Eve hatte den Eindruck, als stürmten zwei Götter der Antike aufeinander los. Titanen, die Jahrhunderte oder gar Jahrtausende ihrer Existenz damit verbracht hatten, zu kämpfen und zu töten.
Ihre Augen blitzten so entschlossen wie ihre Schwerter hell.
In einem Gewitter aus klirrendem Stahl trafen sie aufeinander. Fast zu schnell, um ihnen mit dem bloßen Auge folgen zu können, wirbelten, hackten, stachen und blockten die vier Klingen, als hätten sie ein Eigenleben. Die Männer, die sie führten, tanzten den Reigen des Todes mit einer klaren, ja, nahezu kühlen Konzentration, die im starken Kontrast stand zu der animalischen Wildheit, die sie ausstrahlten.
Kein einziger Hieb, der nicht mörderisch genau gezielt war.
Nicht ein Block, der nicht präzise ausgeführt war.
Keine noch so schnelle Bewegung, die nicht genau so ablief, wie sie ablaufen sollte.
Der Kampf zwischen Margaret und Bischof Wall war meisterhaft gewesen, soweit Eve das hatte beurteilen können. Aber das, was zwischen Kabir und Ben vonstatten ging, war überirdisch.
Wie immer, wenn Eve ihn bisher in einer solchen Situation erlebt hatte, atmete Ben ruhig und gleichmäßig, obwohl seine Schritte und Sprünge durchaus immer wieder das Tempo wechselten.
Und wieder war da nicht das kleinste Quäntchen Furcht in seinem fest auf den Gegner gerichteten Blick.
Aber sie musste zugeben, dass auch Kabir mit der Souveränität des Siegers kämpfte.
Kabir. Schritt, Doppelschritt, Ausfall, gerader Stoß.
Ben. Parade, arretieren, die zweite Klinge im Viertelkreis nach vorn.
Kabir. Block, Drehung, ein Hieb mit dem Ellbogen nach dem Kopf seines Gegners.
Ben. Ducken, in den Infight statt zurück, Stich entlang der gegnerischen Klinge.
Kabir. Drehung aus dem Clinch, parallel geführter Befreiungsschlag mit beiden Schwertern.
Ben. Die Finte erkennend – zurück statt nach vorn.
Kabir. Nachsetzen, Doppelattacke von oben, abwechselnd geführt.
Ben. Abwehr mit der stählernen Acht, die zweite Klinge mit der Spitze nach oben wie der Torero vor dem Todesstoß.
Die Gefahr erkennend brach Kabir seine Attacke ab und brachte sich mit einem Sprung nach hinten in Sicherheit. Die ersten Zweifel in seinem bisher so sicheren Blick.
Eve stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass Kabir im Gegensatz zu Ben angefangen hatte zu schwitzen.
Ohne auch nur einen Moment zu zögern, setzte Ben eiskalt nach. Das war kein Wettkampf, bei dem man dem Gegner eine Verschnaufpause gönnte.
Gerade noch rechtzeitig brachte sich Kabir in Position.
Doch noch in der Vorwärtsbewegung wechselte Ben die Stoßrichtung seiner zweiten Klinge und führte sie, statt wie auch die erste von oben, unerwartet von unten nach oben.
Kabirs zweiter Block ging ins Leere, und Ben traf die Unterseite seines rechten Oberarms.
Kabir schrie schmerzerfüllt auf, ließ die rechte Klinge fallen und hechtete zurück.
Ben ging in Stellung für seinen finalen Angriff.
Der Zweifel in Kabirs Blick war bei dem Treffer nackter Angst gewichen.
Da – ein grollendes Rauschen aus Richtung des Baums.
Blendendes Licht.
Ben wandte den Kopf. Er brüllte: »Nein!«
Eve folgte seinem Blick – und ihr Herz schien zwei Schläge lang auszusetzen.
Da stand Bischof Wall. Mit dem Flammenwerfer. Mit schnell aufeinanderfolgenden Stößen dicker Feuerwolken setzte er die Eibe in Brand.
Nein , dachte Eve – und im nächsten Moment: Margaret!
Sie wollte aufspringen. Aber sie war noch immer zu benommen, sich überhaupt zu bewegen.
Ben startete zum Baum hin. Doch da war Kabir. Die kurze Unterbrechung hatte genügt, seinen Arm so weit heilen zu lassen, dass er ihn wieder benutzen konnte. Er bückte sich schnell und hob eine der Maschinenpistolen vom Boden. Schon während er die MP i nach oben riss, begann er zu feuern.
Die ersten Kugeln prallten noch Funken stiebend vom Steinboden ab und in alle Richtungen davon. Die nächsten aber trafen Ben in die Seite. Mit einem wütenden
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