Die Lazarus-Formel
ihr will und wozu er sie braucht.«
»Ist mir egal, wie er wieder auftauchen konnte und warum er die Sinclair beschützt«, meldete sich der Südamerikaner zu Wort. Kabir fand, dass er mit den hohen Wangenknochen und dem scharf geschnittenen dunklen Gesicht seinem Gebieter überraschend ähnlich sah. »Wir müssen ihn finden und vernichten. Nur das zählt.«
»Ich stimme dir zu, Tezka. Die anderen auch, denke ich.« Wieder nickten alle, auch Huang-Di. »Behaltet die Kuttenträger noch mehr im Auge als sonst. Sie sind ebenfalls hinter den beiden her.«
35
Eve hatte sich noch immer nicht ganz erholt von dem, was Ben ihr von den Aesirianern erzählt hatte. »Sie behaupten also allen Ernstes, dass es mitten unter uns bereits eine ganze Gesellschaft von Unsterblichen gibt?« Sie flüsterte noch leiser, damit kein anderer der Flugzeugpassagiere sie hören konnte.
Ben musterte sie erstaunt. »Nachdem Sie Feldmann begegnet sind, zweifeln Sie daran?«
»Lassen Sie mich das klarstellen, Ben«, sagte sie eindringlich. »Ich zweifle nicht an der Möglichkeit, dass es Unsterblichkeit oder ewige Jugend gibt. Genau die zu erforschen bin ich losgezogen. Die Eibe beweist, dass Unsterblichkeit organisch möglich ist, und ich bin mir sicher, es gibt einen Weg, diesen Metabolismus auf tierisches und menschliches Leben zu übertragen. Was ich aber bezweifle, ist, dass man die Unsterblichkeit durch irgendeinen Zauber, ein Ritual oder sonst einen okkulten Hokuspokus erlangt.«
»Warum?«
»Es muss eine wissenschaftliche Erklärung dafür geben.«
»Was macht Sie da so sicher?«
»Feldmann war Wissenschaftler. Ein Mann der Neuzeit. Auch wenn seine Notizen sehr kryptisch wirken und er sich mit der Art der Verschlüsselung jede Mühe gab, sie mystisch oder gar magisch erscheinen zu lassen, müssen sie doch letzten Endes das Ergebnis seiner Forschung sein. Aber Sie wollen mir gerade erzählen, dass es schon seit Jahrhunderten eine Geheimloge von Unsterblichen gibt, lange vor der modernen Wissenschaft.«
»Seit Jahrtausenden, um genau zu sein.«
»Was erzählen Sie da!«
»Sie kennen den Mythos von Osiris …«
»Meinen Sie jetzt die Lazarus-Version aus der Bibel oder die ägyptische?«
»Die ägyptische.«
»Der Name ist mir sehr viel vertrauter als die eigentliche Geschichte dahinter«, gab Eve zu.
»Wie ich schon bei der Entschlüsselung des Rätsels erwähnte, war Osiris der Gott der Erneuerung und der Wiedergeburt. Wie die meisten Legenden und Mythen hat auch diese einen wahren Kern. Denn Osiris war der erste der Aesirianer. Tatsächlich stammt ihr Name von ihm, von der ursprünglichen, der altägyptischen Version von Osiris – A-Ser, Sohn des Feuers . Osiris wollte sein Wissen um die Unsterblichkeit allen zuteilwerden lassen, die sich um das Wohl der Menschheit bemühten. Um solche Menschen zu finden, bereiste er jahrhundertelang die ganze Welt und lehrte Ackerbau, Viehzucht, Handwerk, Heilkunst und vieles andere.«
Eve sah ihn skeptisch von der Seite her an. »Nahezu jede Mythologie hat einen solchen Kultur- und Wissensbringer.«
»Exakt«, stimmte Ben zu. »Quetzalcoatl bei den Azteken, Shennong bei den Chinesen, Shamash bei den Akkadiern, Assur bei den Assyrern, Amadioha bei den Igbo Zentralafrikas, Ing, Freyr oder Odin bei den nordischen Völkern und so weiter. Die Liste dieser Mythen ist lang, und alle haben sie ihre Wurzeln bei Osiris. Und das Entscheidende ist: Osiris belohnte die seiner Meinung nach würdigsten Schüler mit der Unsterblichkeit, auf dass sie selbst Lehrer werden sollten.«
»Die Angreifer im Kloster schienen nicht besonders unsterblich zu sein. Für mich sahen sie auf jeden Fall sehr schnell ziemlich tot aus, nachdem Sie mit ihnen fertig waren.«
»Auch Aesirianer können getötet werden, wenn sie entsprechend verwundet werden. Aber die Männer in den Kutten gehörten nicht zu ihnen. Sie waren auch nicht unsterblich.«
»Wenn sie keine Aesirianer waren, was waren sie dann?«
»Die Gegner der Aesirianer«, antwortete Ben, »ihre ärgsten Feinde. Es gibt einen alten und extrem geheimen religiösen Orden: die Hüter des Baumes .«
Eve stieß ein ungeduldiges Schnauben aus. Das war ihr alles viel zu viel Verschwörungshumbug. »Sie laufen ernsthaft Gefahr, Ben, dass ich, nach allem, was wir jetzt schon zusammen durchgestanden haben, aufhöre, Sie ernst zu nehmen.«
Ben sah sie mit ruhigem Blick an. »Ich kann verstehen, wie verwirrend das alles für Sie klingen muss.«
»Das ist sehr
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