Die Lebenskünstlerin (German Edition)
Geschwätz von gestern.“
Elena schenkt uns gut duftenden Roibuschtee nach und erklärt: „Zuerst wollte ich stark bleiben, da diese Verbindung ohnehin keine Zukunft hat.“
Herzhaft beiße ich in eine selbstgebackene Waffel und höre äußerst interessiert ihren Ausführungen zu.
„Doch der Henry hat mich so verdammt geduldig und geschickt umworben, dann habe ich ihn doch in mein Bettchen gelassen.“
Heiter und gelöst erörtern wir alle Einzelheiten: Über das Vorspiel, die Art des Aktes und dessen detailgenaue Ausführung. Natürlich die Größe, Breite, Dicke, alles, was dazugehört. Von wegen, das sei für eine Frau unbedeutend oder nebensächlich. Alles Lügenmärchen.
Bedrückt berichtet sie in äußerst knappen Worten über ihre Enttäuschung durch Henrys Aktion danach. Nachdem er soviel Kraft und Energie aufbrachte, sie rumzukriegen, ist er nach dem Sex einfach unter die Dusche, dann in die Klamotten gesprungen und weg war er.
Benutzt käme sie sich dadurch vor und der brauche nicht zu denken, dass er noch einmal eine einzige Chance bei ihr hätte.
Heulend liegt sie plötzlich an meiner Schulter und wir schimpfen ein wenig über die bösen Männer, während ich sie freundschaftlich tröste. Selbstverständlich haben wir beide vorher gewusst, dass unsere fidelen Kerle aus der Disco nur Aufreißer sind und keine Männer mit auch nur dem geringsten Partnerpotential.
Aber Kopf und Körper sind bekanntlich zwei verschiedene Dinge. Das Herz bleibt gelegentlich auf der Strecke.
Rote Rosen, Verfolgungswahn, Wolllust und Minischwanz
Sehr spät am Abend komme ich von Elena nach Hause. Leise steige ich die Stufen zum vierten Stock hoch und verzichte darauf, das Flurlicht anzuschalten.
Im Haus ist es angenehm still. Ein paar Minuten genieße ich die Ruhe und betrachte den Vollmond aus einem der riesigen Treppenhausfenster. Mithilfe des recht hellen Mondscheins suche ich meinen Wohnungsschlüssel in der geräumigen Handtasche.
Plötzlich erschrecke ich völlig, als Konrad überraschend neben mir steht.
„Wer ist der Kerl mit den vielen Rosen?“ legt er mit scharfem Tonfall los.
„Wieso hast du den Typen dann auch noch auf dem Parkplatz verabschiedet?“
Jetzt rüttelt er an meinem linken Arm, während ich mit der anderen Hand die Wohnungstür aufschließen will. Total verdattert stammle ich, das sei mein neuer Freund. Endlich springt das Schloss auf. Hastig entziehe ich mich seinem Griff und verschwinde in meiner Wohnung.
Aufgeregt schließe ich die Tür und rutsche mit dem Rücken die Flurwand hinunter. Mein ganzer Körper zittert vor Angst und Schreck.
Wahrscheinlich wird er jetzt wieder die ganze Nacht bei mir klingeln und anrufen. Ich liege richtig. Mühsam zerre ich den Stecker aus der Klingel, schalte das Handy aus und lege das Festnetz lahm.
Er klopft gegen meine Wohnungstür und ich höre schon im Stockwerk über mir und in der Wohnung daneben die Türen aufgehen.
„Was soll das“, wird er von dem rothaarigen Burghard aus dem Fünften mit unverkennbar tiefer Stimme angeraunzt, „da ist doch augenscheinlich niemand zu Hause und zudem ist es mitten in der Nacht.“
Schließlich vertreibt mein aufmerksamer Nachbar den Gestörten.
Was für ein beschissenes Leben. Zitternd und unruhig schleiche ich in meiner dunklen Wohnung umher, spähe vorsichtig vom Balkon zum Parkplatz. Hoffe inständig, dass der Blödmann endlich aufgibt. Die Blumen vom Tanzbär Ruben liegen immer noch in der Badewanne. Ich bin nicht fähig, sie in einen Eimer zu stecken.
Nach einer unruhigen Nacht mache ich wieder mein Handy an. Sie haben 73 Anrufe in Abwesenheit. Unzählige Kurzmitteilungen, in denen mich Konrad übel beschimpft und beleidigt.
„Sag ich doch, er ist ein Stalker“, aufgebracht springt meine Lieblingstherapeutin von ihrem Stuhl. Eine kleine Dosis Adrenalin steht ihr richtig gut.
„Selina, bitte rufe zukünftig die Polizei, dann erwirken wir eine einstweilige Verfügung gegen ihn, damit darf er sich dir nicht mehr nähern“, beschwört sie mich und ringt sichtlich um ihre Fassung. Unterdessen nicke ich äußerlich ruhig und gehorsam mit dem Kopf.
Sie weiß doch genauso wie ich, dass mir für solch eine Aktion der Mut fehlt.
Unwohl in meiner Haut lenke ich plump vom Thema ab. Valentina lässt es durchgehen, doch beim Abschied sieht sie mich eindringlich und beschwörend an. Auch wenn sie nichts mehr zu dem Thema sagt, ist mir doch klar, was ihr besorgter Blick bedeutet.
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