Die Lebenskünstlerin (German Edition)
zu Hause, schreibe weiterhin Gedichte beim Brötchenverkaufen, erstelle ein paar gelungene Zeichnungen und surfe zu Hause im Internet nach potentiellen Partnern. Ich will nicht mehr alleine sein.
Gibt es nicht irgendeinen netten Kerl, dem es genauso geht?
„Vielleicht bin ich doch beziehungsunfähig, wie Konrad immer felsenfest und überzeugend behauptet hat“, jammere ich mal wieder hingebungsvoll mit einer gewissen Theatralik meiner immerzu geduldigen Therapeutin vor.
Valentina macht mir nachdrücklich bewusst, dass ich funktionierende Beziehungen lebe: Zu meinen Söhnen und zu meinen Freundinnen. Nur mit den Männern klappt es nicht, weil ich mir immer die Pflegefälle raussuchen würde.
„Vielleicht bin ich auch ein Pflegefall“, schluchze ich leise in einem hoffentlich vorübergehenden Anfall von Selbstmitleid.
„Wie kommst du auf so einen Blödsinn?“ will sie anscheinend erbost wissen.
„Mein Ex sagte so oft, er hätte nur EIN Problem. Und dieses sei ich. Ich sei krank und psychisch gestört. Und - “
Weiter komme ich nicht. Genervt stoppt sie meine sinnlosen Ausführungen.
„Wenn es dich beruhigt, dann gebe ich dir jetzt und sofort eine schriftliche Bescheinigung, dass du keinerlei krankhafte psychische Störungen hast.“
Eine halbe Stunde später springe ich fröhlich die Treppen hinunter zum Praxisausgang, mit meiner Bescheinigung in der Tasche. Ich könnte einen schönen Rahmen besorgen und sie mir über den Schreibtisch hängen.
Zumindest meine Therapeutin glaubt felsenfest daran, dass ich eines Tages genügend Selbstbewusstsein habe, um eine passende Arbeit zu finden und um den richtigen Mann zu treffen. Sie glaubt an mich.
Wie kann sie nur an mich glauben? Sieht sie mich denn anders als ich wirklich bin?
Qualvolle Selbstzweifel ergreifen von mir Besitz - trotz meiner Bescheinigung. Der ausgesuchte goldene Rahmen scheint mir nur noch übertrieben. Traurig und verschämt schiebe ich das Ganze zwischen die Selbsthilfebücher zum Thema Beziehungen ins Regal.
Konrad steht in dieser Woche wieder demütig bettelnd vor meiner Kuchentheke. Ob wir es nicht noch einmal miteinander versuchen könnten, er hätte soviel dazugelernt – Blabla.
Immerhin gelingt es mir, ihn energisch und eindeutig abzuweisen. Das habe ich etliche Male mit meiner Therapeutin eingeübt und durchgespielt. Er flucht Unverständliches und eilt dann aus dem Geschäft.
Mein eigener Anteil an dieser Beziehungsmisere ist meine Nachgiebigkeit. Meine ewige Inkonsequenz und das permanente Entschuldigen seines unberechenbaren und zerstörerischen Verhaltens. Ich habe mich angestrengt, damit er freundlich und friedlich zu mir ist, dabei muss Liebe nicht verdient werden. Genauso wenig schuldet mir jemand die Erfüllung meiner Wünsche.
OK. Ich habe Schluss gemacht und bleibe mir treu. Aber ich bin so verdammt alleine. Niemand liebt mich. Keinen interessiert es, wie es mir geht. Auf dem Weg vom Fahrstuhl zu meiner Wohnung bedaure ich mich selbst, um dann gleich ein paar Tränen weinen zu können.
Daraus wird nichts. Ruben, der tanzende saftige Muskelbär steht unerwartet vor meiner Tür. Mit einem riesigen Strauß roter Rosen in den Händen.
So eine große Vase besitze ich nicht, schießt es mir sogleich durch den Kopf.
Ruben strahlt über das ganze Gesicht, als ich betont langsam aus dem Fahrstuhl trete. Was mache ich nur mit ihm?
Artig bedanke ich mich und lüge ihm vor, ich müsste schnell ein wichtiges Buch holen und gleich noch mal länger fort. Deswegen könnte ich ihn nicht in die Wohnung bitten.
Unbeschreiblich eisern und beharrlich setzt er seine ganze Überredungskunst ein. Er will auf mich warten, notfalls auch vor dem Haus. Oder mich begleiten, egal wohin. Nur ganz schwer schaffe ich es, ihn wieder loszuwerden.
Verlegen holte ich schnell ein umherliegendes Buch aus meiner Wohnung und schiebe ihn in den Fahrstuhl.
„Ich muss mich beeilen, tut mir leid.“
Er beobachtet mich mit seinen tiefschwarzen wachen Augen, bis ich mit meinem Auto um die Ecke bin.
Per Handy rufe ich Elena an, erbitte Asyl, schimpfe über die blöden Tupper-Tussis, die meine Nummer und anscheinend auch Anschrift herausgerückt haben und quartiere mich bei ihr für den Abend ein. Sie hat mir ebenso Neues zu berichten.
„Henry ist gestern bei mir gewesen“, verlegen schaut sie aus dem Fenster.
„Und, habt ihr?“ Ich muss es fragen.
„Ja, wir haben.“
Lachend umarme ich sie: „Was interessiert uns unser
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