Die Lebenskünstlerin (German Edition)
verwischt und damit oftmals gänzlich verschwindet. Nicht so vermeintlich harte Kerle und lebenserfahrene, gestandene Frauen, die mit dem Saufen aufgehört haben, um dann ihr Leben in Ordnung zu bringen.
Inzwischen bewundere ich diesen markanten Kern. Bemerkenswerte sympathische Menschen, die teils am Rande der Gesellschaft dahinvegetierten, die sich mit Ausreden vortrefflich auskennen und sogleich bei Neulingen clever durchschauen.
Sie sind die qualifizierten Sachkundigen für das Leben während und nach dem Saufen, setzen sich mit ihren augenblicklichen Themen und Problemen auseinander, damit sie nicht anhäufen und gegebenenfalls wieder Saufdruck auslösen. Sie sind bereit, dazuzulernen. Äußerst beeindruckend.
Nach dem Meeting werden Tische und Stühle geräumt und gerückt, im Nu sind Plätzchen, Häppchen, Kuchen und allerlei Leckereien aus den mitgebrachten Körben und Taschen hervorgezaubert und liebevoll auf den Tischen dekoriert.
Ungezwungen plaudere ich mit Maximilian, der sich in letzter Zeit freundschaftlich um mich bemüht. Es geht mal wieder um das Thema Beziehungen versus Alleinleben.
Wobei ich gerade für das Alleinleben plädiere.
„Ich ziehe ohnehin ausschließlich die Problembehafteten an, die noch mehr Chaos und Unruhe in mein Leben bringen“, erkläre ich ihm scherzend.
Maxi nimmt mit einem Seufzer die Kaffeekanne vom Tisch, während ich ihm meinen neu gewonnenen Standpunkt näher begründen möchte: „Inzwischen habe ich gemerkt, wie friedlich es ist, alleine zu leben. Keine Kämpfe, keine Diskussionen und ganz, ganz wichtig: Keine Kontrolle. Ich werde in meiner Eigentumswohnung bis ins hohe Alter bleiben und es endlich akzeptieren, dass ich alleine lebe. Das ist bestimmt besser so.“
„Selina, aber du bist doch eine erstklassige Frau“, schmeichelt Maximilian mit einem breiten Grinsen auf seinem freundlichen Gesicht und reicht mir fürsorglich einen dampfenden Kaffee.
Lapidar entgegne ich: „Maxi, es hält nun mal kein Mann mit mir aus.“
Maxi schüttelt verständnislos seinen wuchtigen Lockenkopf, während er laut in seiner kleinen Kaffeetasse herumrührt. Seine nachträglich eingegossene Milch ist sicherlich schon längst eine uneingeschränkte Symbiose mit dem Kaffee eingegangen.
Stehe ich wirklich voll und ganz zu meinen Worten? Ich will keineswegs resigniert wirken. Nein, das ist schon alles richtig: Ich bleibe alleine, basta.
Mein wohltuender Kumpel stellt seine Tasse auf den Tisch zurück und schiebt sich einen herzförmigen Lebkuchen in den Mund.
„So eine Frau wie du bleibt nicht lange alleine“, mampfend klopft er meine Schulter, dann wird sein Blick abgelenkt.
Lukas blickt geradewegs in unsere Richtung.
Maxi winkt ihn herbei und flüstert mir dabei verschwörerisch zu: „Der wäre doch was für dich.“
Beherzt drückt er Lukas auf seinen Stuhl, während er selbst kauend das Weite sucht.
Zuerst bin ich irritiert, Maxi verschwindet einfach und manövriert den Lukas neben mich. Abgekartetes Spiel zwischen den beiden Männern? Bestimmt.
Maxi, du alter Kuppler.
Doch das vergesse ich schell. Mit Charme und Witz verwickelt mich dieser keineswegs verdutzte Lukas sofort in eine anregende Unterhaltung.
Ich erzähle ihm ein paar Anekdoten von den Freizeiten, von denen Lukas zwar schon gehört, aber noch nie teilgenommen hat. Sein Lachen klingt klar und bezaubernd, seine Stimme ist wohltuend tief und warmherzig. Ich bin fasziniert von diesem Klang, von seinem Lachen, ich kann mich kaum auf das Gesprochene konzentrieren.
Es zählt nur noch dieser liebe Kerl, der so herzlich und angenehm wirkt. Dass die Feier zu Ende geht und die Tische schon wieder abgeräumt sind, das bekomme ich überhaupt nicht mit.
„Macht bitte das Licht aus, wenn ihr geht“, Ortrun mit ihrer durchdringenden Stimme bringt mich jäh in die Wirklichkeit zurück.
So ein Mann wie dieser Lukas könnte mich schon interessieren:
Offen, herzlich, lustig, ernst, interessant und intelligent und sehr appetitlich. Da könnte ich schon schwach werden.
Ich habe das Bedürfnis, ihn zum Abschied zu drücken. Aber ich untersage mir diesen Impuls und lasse es lieber.
Der Mann ist der Jäger.
Beim Rausgehen erzählt er mir von seiner Noch-Ehefrau, die vor ein paar Monaten ausgezogen ist. Das dämpft meine Euphorie erst mal kurzfristig. Anscheinend hat er noch eine problematische Stieftochter, die aber schon Mitte Zwanzig ist.
Na gut, wenigstens kein kleineres Kind mehr als ungebetene
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