Die Lebküchnerin
ein Haar gekrümmt wird, breche ich dir alle Knochen …«
Julian starrte seinen Bruder fassungslos an. »Du bist der andere! Du hast dich an sie herangemacht, während ich fort war.«
»Was soll das? Wovon sprichst du?«
»Weißt du, warum sie nicht mit mir gehen wollte? Weil sie einen anderen liebt. Und so wie du dich aufführst, ist nicht schwer zu erraten, dass du dieser andere bist. Und warum bist du nicht mit ihr gegangen? Sie hat gesagt, sie verlässt die Stadt, aber ohne den Mann, den sie liebt. Warum hast du sie allein gelassen?«
»Aber … ich … ich wusste doch nicht, dass … sie hat mir nichts gesagt, ich …«, stammelte Konstantin.
»Wäre ich nicht so glücklich mit Alisa, ich müsste dir böse sein, dass du Benedictas Herz gestohlen hast«, bemerkte Julian und warf Alisa einen zärtlichen Blick zu. Die junge Frau lächelte, doch dann verfinsterte sich ihr Gesicht.
»Aber wo ist sie bloß geblieben?«, fragte sie besorgt.
»Ich befürchte, man hat sie gefunden und eingesperrt. In Sankt Katharinen …« Er stockte. »Und sie hat wirklich gesagt, dass sie einen anderen Mann liebt?«
»Lieber Bruder, ja und noch einmal ja! Aber möchtest du nicht lieber etwas unternehmen, um sie zu retten? Oder willst du, dass sie für alle Zeiten hinter Klostermauern verschwindet?«
»Ich werde sie dort herausholen. Das schwöre ich bei meinem Leben!«, rief Konstantin entschlossen und verließ eilends die Kammer seines Bruders.
58
Der Provinzial wollte sich gerade auf den Weg zu seinem Kloster machen, als man ihm einen Besucher ankündigte.
»Ich bin schon fort«, sagte er und vertiefte sich in das Rezept für die Lebkuchen, das ihm Schwester Benedicta aufgeschrieben hatte. Merkwürdig, dachte er, was macht die Kuchen bloß so herrlich süß? Das Mehl?
»Er lässt sich nicht abwimmeln«, erklärte der Klosterknecht bedauernd. Und schon stand ein zornig dreinblickender junger Mann vor ihm.
»Wo ist sie?«, fragte Konstantin.
»Wen meint Ihr?«
»Ich spreche von Benedicta. Benedicta von Altmühl! Wo haltet Ihr sie versteckt?«
»Ich bin froh, dass ich sie los bin«, erwiderte der Provinzial.
»Wo habt Ihr sie hingebracht? Hört, ich gebe Euch alles Geld, wenn Ihr mir nur sagt, wo sie sich aufhält.«
»Sie ist mit ihrem zukünftigen Ehemann und ihrer Schwiegermutter auf dem Weg zu ihrem neuen Zuhause.«
»Mit ihrem Ehemann?«
»Ja, sie wurde von mir dazu verurteilt, einen Mann ihres Standes zu heiraten. Und das wird sie nun tun.«
»Und wen heiratet sie?«, fragte Konstantin verwirrt.
»Das geht Euch nichts an.«
»Und wo ist sie?«
»Das geht Euch auch nichts an!«, knurrte der Provinzial, bevor er Konstantin genauer betrachtete. »Wer seid Ihr eigentlich?«
»Ich bin Konstantin von Ehrenreit. Gewürzhändler in Nürnberg …«
»… und ich nehme an, Bruder des verstorbenen Übeltäters Julian von Ehrenreit, der Schwester Benedicta schwängerte …«
»Wie bitte?« Konstantin glaubte, sich verhört zu haben.
»Ja, nur wegen ihres Kindes habe ich sie nicht einmauern lassen, sondern sie dazu begnadigt, einen Mann von Stand zu heiraten.«
»Und mögt Ihr mir nun endlich verraten, wer sie heiratet?«
Der Provinzial lachte höhnisch. »Ihr denkt wohl, ich sei ein Narr. Ihr wollt mich doch nur aushorchen, aber ich verrate es Euch nicht. Ich bin froh, dass sie längst unterwegs ist und niemals zurückkehrt. So, und nun geht! Für mich ist die leidige Angelegenheit endgültig beigelegt.«
Konstantin stürzte sich auf den Provinzial und wäre ihm wohl an die Kehle gegangen, um eine Antwort zu erzwingen, doch der brüllte laut nach den Klosterknechten.
Wie vor den Kopf gestoßen ließ Konstantin vom ihm ab und trat den Rückzug an. Nun wurde er gar nicht mehr aus Benedicta schlau. Sie heiratete einen anderen und hatte ein Kind von seinem Bruder? Nein, das konnte nicht stimmen. Er hatte sie doch in Abständen immer wieder getroffen, und schwanger war sie sicher nicht gewesen. Hier stimmte etwas nicht. Er musste schnellstens herausfinden, was das alles zu bedeuten hatte. Wie betäubt schritt er durch die langen Klostergänge. Kurz vor dem Tor begegnete er einer älteren Schwester, die ihn neugierig anstarrte.
»Julian von Ehrenreit? Ihr lebt?«, fragte sie.
»Nein, ich bin sein Bruder Konstantin«, erwiderte er und fügte atemlos hinzu: »Kennt Ihr Benedicta?«
Sie nickte eifrig. »Ja, und ich weiß auch, dass sie auf dem Weg zur Hölle ist.«
»Bitte, sagt mir nur eines: Wo kann ich sie
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