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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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ächzend versuchte Julian sich aufzurichten. Konstantin half ihm dabei. »Endlich weilst du wieder unter uns«, murmelte er erleichtert.
    Schließlich schaffte es Julian, sich aufzusetzen, obwohl er das Gefühl hatte, in seinem Rücken brenne ein loderndes Feuer. Erst jetzt öffnete er die Augen und erschrak. Konstantin sah blass und erschöpft aus. Wahrscheinlich hatte der Bruder Tag und Nacht an seinem Bett gewacht. Dann sah sich Julian um. Er ahnte zwar bereits, wo er war, wollte sich aber vergewissern. Tatsächlich, er befand sich auf der Burg in seinem Schlafgemach.
    »Konstantin, was ist geschehen? Wie bin ich hierhergekommen?«
    Der Bruder nahm seine Hand und drückte sie fest. »Ich werde dir alles berichten, nachdem du bei Vater warst. Doch erst musst du versuchen, mit mir zu seiner Kammer zu gehen. Er liegt in den letzten Zügen. Und er schreit seit Tagen nach dir. Er hat mich sogar losgeschickt, dich zu suchen. Ich habe überall nach dir gefragt. Aber du warst weder auf dem Fechtboden noch im Kloster anzutreffen. Als ich bei Nacht in Engelthal ankam, fand ich die Muhme in heller Aufregung. Sie flehte mich an, auf meinem schnellen Pferd in den Wald zu reiten und die Klosterknechte unschädlich zu machen. Wie der Teufel ritt ich los und holte kurz vor einer Lichtung zwei von ihnen auf ihren Zeltern ein. Ich tat, was mich die Muhme geheißen hatte. Den einen stieß ich vom Pferd, und dem anderen schlug ich mit einem Knüppel auf den Kopf, bis er sich nicht mehr rührte.«
    »Du hast uns vor den Häschern gerettet? Aber sprich, hast du denn auch Benedicta sicher auf die Burg gebracht?«
    »Benedicta?«, wiederholte Konstantin verwundert.
    Ein wütender Schrei unterbrach das Gespräch der Brüder.
    »Er wird noch im Grab brüllen wie ein Stier«, bemerkte Konstantin und reichte dem Bruder die Hand. »Komm, ich helfe dir! Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Der Tod schleicht schon durch die Burg.«
    Julian ließ sich von seinem Bruder aus dem Bett ziehen und stützte sich auf dessen Arm. Gern hätte er Konstantin mit weiteren Fragen überhäuft, aber er spürte sofort, dass er nicht in der Lage war, zugleich zu sprechen und zu laufen. Er schwankte, und ihm war übel. Der Geschmack, den er im Mund hatte, war entsetzlich, und bei jedem Schritt meinte er, hinterrücks erdolcht zu werden.
    Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie in der Schlafkammer des Vaters angelangt waren. Der Vater ächzte laut vor sich hin. Er hatte die Augen geschlossen. Das eisgraue Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Eine Magd wischte ihm den Schweiß von der Stirn.
    Konstantin führte den Bruder bis ans Bett des Vaters und half ihm, sich auf einen Schemel zu setzen. »Vater«, raunte er, »Julian ist da.«
    Nur mit Mühen schaffte es der alte Mann, die Augen zu öffnen. »Hab Dank, Konstantin«, stöhnte er und griff nach der Hand des jüngeren Sohnes. »Du bist mir immer eine Freude gewesen, mein Junge. Und darum habe ich eine letzte Bitte an dich. Hör auf, für deinen Onkel Berthold zu arbeiten. Du bist kein Patrizier. Du gehörst hierher nach Ehrenreit. Es bricht mir das Herz, wenn ich mir vorstelle, dass die Burg nach meinem Tod verwaist. Ich habe genug Schätze angehäuft. Sie sind dein! Es genügt doch, wenn einer von euch meint, sich in der Stadt durchs Leben schlagen zu müssen.«
    Die Brüder warfen sich einen flüchtigen Blick zu. Sie verstanden sich auch ohne Worte und würden sich mit Sicherheit nicht mit dem Vater an dessen Sterbebett streiten.
    Der alte Emmerich von Ehrenreit hatte seinen ältesten Sohn noch keines Blickes gewürdigt. Nun wandte er sich ihm zu und musterte ihn finster. »Ich habe dir etwas zu sagen. Dir allein.« Es klang wie eine Drohung.
    Konstantin wunderte sich. Was gab es so Wichtiges zu besprechen, dass nicht einmal er mithören sollte? Und konnte er es überhaupt verantworten, Julian in diesem Zustand mit dem Vater allein zu lassen? Als der Sterbende ihm jedoch einen bittenden Blick zuwarf, verließ er widerspruchslos die Kammer.
    Die Magd folgte ihm, und Julian war nun allein mit seinem Vater. Wohl war ihm dabei nicht. Eine Ahnung stieg in ihm auf, dass der Alte ihm eine entsetzliche Mitteilung zu machen hatte. Wird er mir offenbaren, dass ich keinen Pfennig von seinem Vermögen erbe? Aber das weiß ich doch längst, durchfuhr es ihn. Womit sollte er mich noch erschrecken können? Tapfer kämpfte er gegen die dunkle Ahnung an. Und tatsächlich, er wurde ruhiger. Aufmerksam betrachtete er seinen Vater. In

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