Die Lebküchnerin
beleidigen. Pfui! Fort mit ihnen, auf der Stelle! Dann bin ich bereit, die Sache zu vergessen. Sonst …«
»Glaubst du denn nicht, lieber Johann, dass es unsere Christenpflicht ist, den Armen zu helfen?«
»Crippin, sei nicht närrisch! Eine Spende für die Armen hin und wieder, nun gut, aber Bettelweibern Obdach zu gewähren …«
Meister Heller lachte laut auf. »Es sind keine Bettelweiber, die ich beherberge. Mein Sohn hat sie versehentlich dafür gehalten. Dabei ist es meine neue Magd mit ihrer Schwester, die nach der langen Reise ein wenig zerlumpt aussahen.«
»Magd? Du willst eine Magd einstellen? Laufen die Geschäfte denn so gut? Zumal ihr doch eine anständige Frau im Haus haben könntet!« Meister Burchards Augen verengten sich zu Schlitzen.
»Lieber Johann, du hast gut reden. Dein Weib hält Heim und Herd in Ordnung, aber mein Haus starrt vor Dreck ohne eine weibliche Hand.«
»Bist du so einfältig, oder tust du nur so? Dein Sohn soll meiner Tochter endlich seinen Antrag machen. Damit beenden wir unseren kleinen Zwist für alle Zeiten.«
»Aber Johann, deine Tochter soll doch nicht unsere Magd sein! Denk an ihre zarten weißen Hände!«
Meister Burchard sah Crippin zweifelnd an. Dann blähten sich ganz plötzlich seine Nasenflügel, und er schnupperte.
»Es duftet nach Anis aus deiner Backstube«, bemerkte er mit einem gefährlichen Unterton.
Crippin hoffte, dass der Weißbäcker das laute Pochen seines Herzens nicht hörte, als er in scherzhaftem Ton entgegnete: »Du hast recht. Es ist der köstliche Duft von Anis, der dir aus meiner Backstube entgegenweht. Willst du von dem Brot kosten?«
»Crippin, bist du von allen guten Geistern verlassen? Hast du vergessen, dass ich mich damals in der Zunft dafür stark gemacht habe, dass du das Bäckerhaus bekommst, obwohl du aus keiner alteingesessenen Bäckerfamilie stammst?«, schrie Burchard. Er war so wütend, dass ihm die Adern am Hals hervortraten.
»Nein, wie könnte ich das je vergessen? Aber lieber, guter Johann, das ist bald zwanzig Jahre her. Ich war ein junger Mann, der Sorge hatte, ohne dein Wohlwollen das Bäckerhaus nicht zu bekommen. Deshalb ging ich auf alle deine Bedingungen ein. Ich versprach, weder Weißmehl zu benutzen noch die Gewürze, auf die du einen Anspruch zu haben glaubst. Heute sind wir doch Freunde, oder? Und sei ehrlich – ist es in den Verordnungen unserer Zunft niedergelegt?«
»Du hast es mir versprochen. Das allein zählt!«, brüllte Burchard.
»Damals vielleicht, aber nun halte ich mich nicht mehr daran. Du backst ja auch ein Roggenbrot.«
»Du wirst schon sehen, was du von deiner Frechheit hast. Du brauchst meine Fürsprache, wenn Anselm dein Bäckerhaus übernehmen will.« Burchard lief rot an vor lauter Wut, doch Crippin ließ sich nicht einschüchtern. Entschlossen sagte er: »So, und nun muss ich mich sputen. Die Brote machen sich nicht von selbst.«
Burchard wirkte verunsichert. Er erwartete wohl, dass Heller bei ihm wie gewöhnlich zu Kreuze kroch. »Crippin, lass uns nicht länger zanken. Wenn es sich so gut verkauft, wie es duftet, haben wir doch beide etwas davon. Schließlich wird das alles einmal unserem Enkel gehören.«
Crippin wurde blass und nickte.
»Dann sprich endlich mit deinem Sohn und sag ihm, er soll nicht mehr allzu lange warten. Schließlich habe ich ein hübsches Töchterchen. Dann sollst du nach Herzenslust mit Anis backen, und ich mache dir keine Vorschriften mehr. Aber nur dann, wenn wir bald Verlobung feiern. Ich lasse mich gewiss nicht lumpen. Es soll eine unvergessliche Hochzeit werden.«
Crippin wusste gar nicht, wohin er blicken sollte, ohne sich zu verraten. »Ja, dann mache ich mich wieder an die Arbeit, guter Freund«, murmelte er heiser.
Meister Burchard klopfte ihm zur Bekräftigung seiner Worte zum Abschied auf die Schulter.
Crippin atmete erleichtert auf, als er die Tür hinter dem Weißbäcker zuzog und Benedicta, Agnes und Anselm ihm aufgeregt entgegeneilten.
»Vater, meinst du nicht, es wäre klüger, ihm gleich die Wahrheit zu sagen? Was kann er uns schon anhaben?«, fragte Anselm.
»Ich befürchte, er würde sogar eure Hochzeit zu verhindern suchen. Ach, ich hätte ihm nicht so offen die Stirn bieten sollen.« Crippin war aschfahl im Gesicht geworden.
»Aber das war sehr mutig von Euch«, widersprach Benedicta. »Er wird in Zukunft größere Achtung vor Euch haben. Und ich backe Euch nun endlich die köstlichen Brote mit dem richtigen Gewicht.«
Nur
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