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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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und gleich darauf kam eine Krankenschwester herein. Sie maß Ritas Puls und wandte sich zu mir um.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte ich. »Hat sie was im Hals?«
    »Nein, Schätzchen, deine Tante röchelt. Es bedeutet, dass sie uns bald verlässt.«
    Ich nahm Ritas Hand. Ihre Finger waren geschwollen. »Warum sind ihre Finger so dick?«
    »Ihr Körper kommt nicht mehr mit, Liebes. Bleib einfach hier sitzen und sprich mit ihr. Mach ihr den Übergang leichter, mehr kannst du nicht für sie tun.«
    Ich saß auf dem Stuhl, streichelte Ritas aufgedunsene Hand und lauschte dem Atem, der sich in ihrem Rachen verfing. Schließlich, nach einer Stunde, hörten die Laute auf, und ich wusste, dass sie gestorben war.
    Als ich an dem Abend nach Hause kam, zwang Annie mich nicht zum Essen. Sie schloss mich nur in die Arme und küsste mich auf die Stirn.
    »Mit der Zeit wird es dir wieder besser gehen, Rose, du wirst schon sehen«, sagte sie.
    Aber ich glaubte ihr nicht. Rita war nicht nur meine Tante gewesen, sondern auch meine beste Freundin. Sie hatte mich durch die vergangenen Jahre dirigiert, und ich hatte begonnen, an meine Zukunft zu glauben. Ohne sie fühlte ich mich gestrandet.
     
    In den ersten beiden Wochen nach Tante Ritas Tod verließ ich das Bett nur, um auf die Toilette zu gehen oder mir Zigaretten zu besorgen. Zu rauchen erinnerte mich an sie. Im Übrigen war es das Einzige, was meinen Atem beschwichtigte. Wenn Post kam, öffnete ich sie nicht. Es konnten ohnehin nur schlechte Nachrichten sein. Die Leute vom Wohnungsamt wollten, dass ich auszog, aber ich hatte keine andere Bleibe.
    Am dritten Samstag kam Annie an die Tür und rief so lange durch den Briefkastenschlitz, bis mir nichts anderes übrig blieb, als ihr zu öffnen. Sie musterte mich von Kopf bis Fuß, packte mich an den Armen und führte mich ins Bad. Dort beugte sie ihren schweren Körper über die Emaillewanne und drehte das warme Wasser bis zum Anschlag auf. Dann schüttete sie jede Menge von Ritas rosa Badesalz ins Wasser und verrührte es mit der Hand.
    »Komm schon, Rose. Oder meinst du, Rita würde es gefallen, wenn sie sehen könnte, wie du dich gehen lässt? Du bringst dich jetzt wieder auf die Reihe, nimmst ein Bad und ziehst dich an. Und zwar ruckzuck, sonst kommen wir zu spät.«
    »Wozu?«
    »Na, hör mal. Es ist Samstag.«
    Das erklärte natürlich alles. Ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Deshalb nahm ich ein Bad, zog mich an und folgte Annie zum Gemeindehaus.
    Die Sitzung hatte noch nicht begonnen, aber die alten Frauen waren schon alle da. Sie standen in Grüppchen zusammen und begrüßten Annie. Als sie mich entdeckten, schlossen sie mich nacheinander in die Arme, murmelten Trostworte und sprachen mir ihr Beileid aus. Dennoch schien eine gewisse Erregung in der Luft zu liegen, wie vor einer Party, und eine der Frauen drückte meinen Arm.
    »Ich hoffe, sie kommt«, raunte sie, und Annie lächelte sie an.
    Wenig später trat Maureen auf die Bühne, und alle nahmen ihre Plätze ein. Ich spürte die Hoffnung und Erwartung ringsum. An diesem Abend begriff ich das Tröstliche des Ganzen.
    Aber weder Rita noch meine Mutter erschien. Annie erhielt eine Botschaft von ihrem verstorbenen Ehemann. Da erst erfuhr ich, weshalb ihr Krankenhäuser zuwider waren. Denn als ihr Ehemann in einer Klinik gewesen war, um sich eine künstliche Hüfte einsetzen zu lassen, hatte ihn ein Virus befallen, und er war gestorben. Danach hatte Annie sich geschworen, nie mehr einen Fuß in ein Krankenhaus zu setzen. Aber die Sitzungen taten ihr gut. Sie lachte, als er ihr vorwarf, am Nachmittag zu viel Geld beim Hunderennen verprasst zu haben.
    Eine andere Frau erhielt eine Botschaft von ihrer Schwester und wurde ermahnt, deren Geburtstag nicht zu vergessen und gelbe Blumen auf das Grab zu legen. Einer anderen machte ein verblichener Geliebter ein Kompliment über ihre neue Frisur. Selbst diejenigen, die keine Nachricht erhielten, wirkten nicht enttäuscht, schließlich gab es noch die Hoffnung auf den nächsten Samstag. Das, was sie hörten, schenkte ihnen die Gewissheit, dass die Toten immer bei uns waren.
    An späteren Samstagen, als ich Botschaften von Tante Rita und gelegentlich auch von meiner Mutter erhielt, wusste ich, dass ich doch nicht ganz und gar einsam war. Von Rita hatte ich gelernt, dass ich den Tod nicht fürchten musste, und jetzt erfuhr ich, dass es den Geistern offenbar gut ging. Tante Rita beispielsweise konnte jetzt nach Herzenslust

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