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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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wolltest es aus berufenem Munde hören.
    Konzentriert fuhr die Ärztin mit der Sonde über meinen Unterleib. Du sagtest: »Rose glaubt, dass es ein Junge wird.«
    Sie lächelte. »Rose hat recht.«
    Mein Herz jubelte vor Freude, und ich war atemlos vor Glück. Denn ich wünschte mir einen kleinen Jungen, der aussah wie du.
    Eine zweite Rose zur Welt zu bringen, das wäre einfach zu schrecklich gewesen.
     
    Die Hotelküche, die seit Jahren mein zweites Zuhause war, kam mir jetzt wie ein Käfig vor, und die Arbeit wurde mir immer mehr zur Last. Meine Hände mit den vernarbten Brandwunden zitterten, wenn ich Fett ausließ, und zuckten vor den Gasflammen zurück. Ich mied die spitzen Stahlecken der Tische und fürchtete mich vor den Messern, mit denen ich zuvor wie selbstverständlich hantiert hatte. Meine Schwangerschaft hatte mich verletzbar gemacht, und das Glück war etwas so Neues für mich, dass ich Angst hatte, es könnte mir wieder gestohlen werden.
    Für dich war es nicht leicht damals, das weiß ich, denn du saßest den ganzen Tag zu Hause herum. Ich fing an, mich um dich zu sorgen, denn du hattest aufgehört zu duschen, und dein Aussehen war dir gleichgültig geworden. Dein Handy lag ausgeschaltet in einer Schublade. Das hattest du mir zuliebe getan. Und für unseren Sohn.
    Aber auch ich brachte Opfer. Um dich abzulenken, ging ich mit dir in die Eckkneipe und ertrug das Gegröle der Betrunkenen oder ins Kino, wo ich zusammenzuckte, wenn der Ton zu laut wurde und die hauchzarten Ohren unseres Babys angriff. Irgendwo hatte ich nämlich gelesen, dass ein Fötus Laute außerhalb des Mutterleibes wahrnehmen kann. Ich hatte Angst, der Lärm könnte bei unserem Sohn schlimme Träume auslösen, und wie sollte ich ihn dann trösten? Wenn die Namen der Mitwirkenden über die Leinwand zogen und das Licht wieder anging, atmete ich jedes Mal auf. Deinetwegen sah ich mir all die Filme an, denn ich wollte nicht, dass du an Emma dachtest.
     
    Und dennoch warst du dabei, mich zu verlassen. Nicht körperlich, sondern geistig zogst du dich in eine Welt zurück, die ich fürchtete. Es war die Welt, in der meine Mutter in ihren »wirren« Phasen gelebt hatte. Deine Stimme wurde tonlos, dein Blick stumpf. All das erinnerte mich an Mums Depressionen, die sie mir schließlich entrissen hatten.
    Deshalb besorgte ich dir einen Job.
    Der Küchenchef wusste, dass ein nobles französisches Restaurant namens Auberge einen Weinkellner suchte, doch dazu fehlten dir die notwendigen Fachkenntnisse. Ich log und behauptete, für die Stelle seist du bestens geeignet. Schließlich verfasste mein Chef dir ein Empfehlungsschreiben. Am Tag des Vorstellungsgesprächs gab ich dir Geld, damit du dir etwas Ordentliches zum Anziehen kaufen konntest. Als du nach Hause kamst, warst du wie verwandelt, denn du trugst ein neues weißes Leinensakko zu einer beigefarbenen Hose und sahst beinah wie ein Franzose aus. Der Besitzer des Restaurants hatte dich eingestellt.
    Seitdem du wusstest, dass ich schwanger war, hattest du nie mehr gesagt, du würdest mich verlassen, doch deine Liebe zu Emma stand wie eine gläserne Trennwand zwischen uns. Eines Tages klappte ich dein Portemonnaie auf und sah, dass ihr Foto noch immer da war. Mit haselnussbraunen Augen schaute sie mich an, und ihr blondes Haar glänzte wie die Sonne. Seit du den neuen Job hattest, kamst du spätnachts nach Hause, aber wenn ich deinen Schlüssel im Schloss hörte, blickte ich nicht auf die Uhr. Das Handy hattest du inzwischen wieder dabei, und wenn es summte, wusste ich, dass du eine SMS bekommen hattest, aber ich fragte nie, von wem. Falls du mit Emma zusammen gewesen warst, wollte ich es nicht wissen. Ich trug dein Kind unterm Herzen.
    Im Februar beschloss ich, aus der Kammer, in der ich Ritas Sachen aufbewahrte, ein Kinderzimmer zu machen. Zu der Zeit war ich hochschwanger, und es fiel mir schwer, mich zu bücken und die Kisten und Koffer zu heben. Trotzdem mistete ich gründlich aus und warf weg, was ich nicht haben wollte, denn ich wollte ganz neu anfangen und war bereit, die Vergangenheit loszulassen. Ich verschenkte die Lampe aus Ritas Wohnzimmer, ihren Fußschemel und das Nähkästchen, das ich sie nie hatte benutzen sehen. Dann rief ich in einem der Läden von der Wohlfahrt an. Kurz darauf kamen zwei freiwillige Helfer und sammelten Ritas restliche Möbel ein. Glücklich beluden sie ihren Van mit der Walnusskommode und dem Schaukelstuhl aus Eichenholz. Ohne diese alten Möbel wirkte

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