Die leere Wiege: Roman (German Edition)
doch falls er sich daran erinnerte, zeigte er es nicht.
Das Wohnzimmer war diesmal aufgeräumt. Nirgendwo lag etwas herum, und die CDs standen ordentlich aufgereiht in einem Ständer.
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Ja, danke. Eine Tasse Kaffee wäre nett.«
»Schwarz, ohne Zucker, richtig?«
»Richtig.«
Er verschwand in die Küche. Cate hörte seine Schritte und wenig später das Pfeifen eines Wasserkessels. Sie öffnete ihre Aktentasche, zog Block und Stift hervor und legte beides auf den Couchtisch.
Jason kehrte mit zwei dampfenden Bechern zurück und reichte ihr einen. »Bitte verschütten Sie den Kaffee diesmal nicht.«
»Das war mir sehr unangenehm«, bekannte Cate und schaute auf den dunklen Fleck, der auf dem Teppich zurückgeblieben war. »Ich weiß, es hat Sie aufgebracht.«
»Ist ja schon gut.«
»Beim letzten Mal haben Sie so etwas gesagt wie, ich würde den Finger in jede Wunde stecken. Darüber habe ich eine ganze Weile nachgedacht, aber ich weiß immer noch nicht, wie Sie es gemeint haben.«
»So, wie ich es gesagt habe. Manchmal lässt man die Dinge besser ruhen.«
»Nur geht das in diesem Fall nicht. In der nächsten Woche tagt die Bewährungskommission. Um mein Gutachten zu schreiben, muss ich Ihnen leider noch einige Fragen stellen.«
»Denn ohne Ihr positives Gutachten kommt Rose nicht frei.«
»So ist es.« Cate blies über den heißen Kaffee.
»Und? Wird es positiv ausfallen?« Er fixierte sie mit hartem Blick.
»Selbst wenn ich das schon entschieden hätte, dürfte ich mit Ihnen nicht darüber reden.« Die Bewährungshelferin klammerte sich an ihren Becher wie ein Raucher an eine Zigarette.
»Sehen Sie, und genau das finde ich so mies. Sie kommen in meine Wohnung und fragen mich, was Sie wollen, doch wenn ich etwas wissen will, wimmeln Sie mich ab. Reicht es denn nicht, dass Rose seit vier Jahren im Gefängnis sitzt? Ist das nicht Strafe genug?« Seine Stimme hatte sich gehoben, und seine Haltung wirkte drohend.
Cate stellte ihren Becher ab. »So einfach ist das nicht. Rose wurde des Totschlags für schuldig gesprochen. Ich muss mich vergewissern, dass sie die Straftat bereut und sich künftig nichts mehr zuschulden kommen lassen wird.«
»Es war ein Unfall.« Jasons Augen wurden feucht.
Cate wusste noch sehr gut, wie rasch seine Stimmung umschlagen konnte, wie aus Wut Trauer und gleich darauf wieder Wut werden konnte.
»Rose hat genug gelitten.«
»Trotzdem muss ich sichergehen, dass sie nie mehr gegen das Gesetz verstößt.«
»Herrgott noch mal, das wird sie nicht.«
»Das kann ich im Moment, ehrlich gesagt, noch nicht absehen. Zum einen muss ich wissen, warum Rose Emma verfolgt hat. Sie sagten neulich, Luke sei der Auslöser für ihre Obsession gewesen, aber mir scheint, es könnte auch an Emma gelegen haben. Zum anderen muss ich mich noch näher mit der Kindheit von Rose befassen.«
»Worauf wollen Sie hinaus? Auf den Selbstmord ihrer Mutter, als Rose noch ein kleines Mädchen war?«
»Unter anderem. Ich möchte, dass Rose ihre Verhaltensmuster erfasst, denn solange sie nicht weiß, warum sie die Tat begangen hat, wird sie die gleichen Anzeichen in einer ähnlichen Situation nicht erkennen und nicht in der Lage sein, professionelle Hilfe zu suchen.«
»Immer dieselbe Leier.« Jason rückte näher, und Cate roch den Alkohol in seinem Atem. »Ich frage mich, worum es Ihnen eigentlich geht. Ist es Macht? Arbeiten Sie deshalb im Gefängnis? Einem Ort, an dem mir schon nach wenigen Minuten die Luft wegbleibt?«
Cate rückte von ihm fort. »Ich habe mir diese Stelle nicht ausgesucht, aber ich kenne meine Pflichten. Sie dagegen haben eine Wahl getroffen.«
»Was soll das denn nun schon wieder heißen?«
»Sie haben sich entschieden, Rose nicht zu verlassen. Wissen Sie, wie viele Beziehungen den Gefängnisaufenthalt eines Partners nicht überdauern?«
Sein Blick wurde bitter, und er atmete schwer. »Ich habe keine Wahl getroffen. Mein Leben hat sich so ergeben. Roses Festnahme damals war ein Schock für mich. Danach hatte ich alle Hände voll zu tun, habe Reporter abgewehrt, mit Anwälten gesprochen und versucht, selbst den Kopf über Wasser zu halten. Ich habe meine Pflicht getan, tue sie immer noch, ebenso wie Sie.«
»Aber es ist ein hartes Stück Arbeit, oder nicht?«
Jason begann mit Cates Stift auf dem Tisch zu spielen. »Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken, das macht die Sache leichter. Die Gerichtsverhandlung war eigentlich das Schlimmste. Im
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