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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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Haar störte mich im Gesicht, und von deinen Tränen wurde mein Hals nass. Meine Augen blieben trocken.
    Nachdem Dr. Cross sich verabschiedet hatte, blieben wir für lange Zeit allein. Du versuchtest, Joels Tod zu verarbeiten.
    »Das werde ich mir nie verzeihen«, sagtest du wieder, und ich dachte, dass ich es dir auch nie verzeihen würde.
    Irgendwann klopfte es leise. Es war Nurse Hall, die hereinkam und den Arm um uns legte.
    »Es tut mir so unendlich leid.«
    Sie hatte geweint, das hörte ich an ihrer Stimme. Verwundert hob ich den Kopf und sah, dass ihre Augen noch immer gerötet waren. Sie setzte sich auf die Bettkante und umfasste meine Hand. Dein Kopf lag an meiner Schulter. So saßen wir da und lauschten stumm unseren Gedanken, denn keiner von uns wusste, was er sagen sollte. Plötzlich ertönte ein Summen. Nurse Hall löste sich von mir, warf einen Blick auf ihren Pager und schaltete ihn aus.
    »Sie sind so weit«, erklärte sie.
    Schwerfällig kletterte ich aus dem Bett. Nurse Hall hielt uns die Tür auf. Auf dem Flur nahm sie meinen Ellbogen und stützte mich, während wir den qualvollen Weg zu Joel einschlugen.
    Sie hatten ihn in einer Kammer in ein Gitterbettchen gelegt und in eine weiße Vliesdecke gehüllt. Sein Gesicht war so blass und wächsern wie das einer Puppe. Du musstest dich auf das Gitter stützen, während du auf deinen toten Sohn starrtest und wieder zu schluchzen begannst. Mit Tränen in den Augen strich Nurse Hall dir über den Rücken. Du beugtest dich vor und gabst Joel einen Kuss. Als deine Lippen seine reglose Wange berührten, dachte ich, du würdest zusammenbrechen. Nurse Hall schlang einen Arm um dich und half dir zu einem Stuhl. Ich küsste Joel ebenfalls. Seine Haut fühlte sich warm an. Ich legte meine Wange an seinen Mund und betete darum, seinen Atem zu spüren.
    Bitte, lieber Gott, lass es einen Irrtum gewesen sein. Lass ihn aufwachen.
    Aber es gab keinen Gott, der mich hörte. Es gab kein Wunder. Nur einen leeren Abgrund. Nichts hatte mehr Bedeutung. Ich fragte mich, ob meine Mum uns zusah.
    Eine Stunde saßen wir bei unserem toten Sohn. Nurse Hall blieb bei uns, obwohl ihre Schicht längst zu Ende war. Dafür war ich ihr dankbar.
    »Ich möchte nach Hause gehen«, sagte ich.
    Nurse Hall nickte. »Das ist verständlich. Soll ich Ihre Sachen packen und die Entlassungspapiere vorbereiten?«
    »Ja, bitte.«
     
    Als sie zurückkam, hatte sie meine Sachen in eine Plastiktüte gesteckt. Sie führte uns aus der Kammer über den Flur und an der Intensivstation vorüber. Ich schaute nicht hin. Wir erreichten die Entbindungsstation.
    Es dauerte einen Moment, ehe mir klar wurde, dass wir uns Emmas Zimmer näherten.
    Zu meinem Entsetzen erkannte ich, dass die Tür offen stand. Ich wollte nicht weitergehen, überlegte panisch, wie ich uns aufhalten konnte, und verlangsamte meinen Schritt.
    Doch die Tür kam unweigerlich näher. Ich konnte Emma und ihren Ehemann sehen. Er hielt Luke im Arm, zeigte ihm ein kleines Spielzeug. Emma glättete einen Rock auf dem Bett, faltete ihn sorgsam zusammen und legte ihn in einen Koffer. Ihr Mann beugte sich zu ihr hinab und sagte etwas. Sie lächelte und gab Luke einen Kuss. Auch sie war auf dem Weg nach Hause, aber sie konnte ihr Baby mitnehmen.
    Du hattest sie noch nicht entdeckt, doch ich wusste, falls es dazu käme und du Luke sehen würdest, wäre für mich alles vorbei, und meine Welt würde zusammenbrechen. Jeder Schritt brachte die Gefahr näher.
    Emma griff nach ihrer Handtasche. Nur noch wenige Sekunden, und sie würde in den Flur hinaustreten.
    Wie ein fallendes Segel ließ ich mich zu Boden sinken.
    Dann krümmte ich mich und drückte die Hände auf meine Brust. Du gingst sofort in die Hocke, strichst mir die Haare aus dem Gesicht und versuchtest mir aufzuhelfen.
    Mühsam raffte ich mich auf, und als ich stand, sah ich Emmas Rücken und ihren Mann, der ihr mit dem Koffer über den Flur folgte. Irgendein guter Geist sorgte dafür, dass Emma sich kein einziges Mal umdrehte. Ich dankte Mum und Rita, die verhindert hatten, dass du Emma und Luke entdecktest.

34.
     
     
     
    Als Jason Clark am Montagmorgen die Tür öffnete, waren sein Haar noch feucht von der Dusche und sein Hemd halb zugeknöpft. Cate warf einen Blick auf ihre Uhr. Sie war nicht zu früh erschienen, es war schon kurz vor zehn.
    Er trat zur Seite und zeigte nach oben. »Den Weg kennen Sie ja.«
    Als sie ihn zuletzt gesehen hatte, hatte er weinend auf dem Fußboden gehockt,

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