Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
Sicher wird er dafür bezahlt, über seine Auftraggeber spricht Esrin aber nie. Ich weiß also genauso wenig wie du, und ich bin hier genauso gefangen wie du. Hast du eigentlich einen Namen?“, erklärte Kex.
„Nomo… Was hält uns davon ab, einfach von hier zu verschwinden? Die Tür ist schließlich offen“, sagte Nomo.
„Verschwinden? Wohin? Vor uns liegen hunderte Kilometer staubige Einöde, hinter uns hunderte Meter steiler Fels. Wir können nur warten, bis uns Esrin mit dem großen Fahrstuhl wieder nach oben holt, wenn das jemals geschehen sollte…“, entgegnete Kex.
„Hallo Kex. Bist du da?“, rief plötzlich eine Jungenstimme von draußen.
Es war die Stimme von Kos. Kex sprang auf und rannte nach draußen, Nomo folgte ihm. Auf der Plattform des Fahrstuhls stand Kos, neben ihm einige Behälter mit Wasser und die zwei Säcke mit Proviant. Er wartete auf die beiden. Als Nomo Kos erkannte, verschränkte sie die Arme vor der Brust und blickte den Jungen streng an.
„Du gehörst also doch zu dieser Bande von Dieben! Du hast mich angelogen. Man bestiehlt keine anderen Leute, so etwas gehört sich nicht. Noch viel weniger gehört es sich, mich an diesen grässlich heißen Ort zu bringen. Schämst du dich nicht?“, tadelte sie Kos, und an Kex gewandt sprach sie weiter, „Und Ihr wart demnach auch schon bei dem Überfall dabei. Warum? Nur weil ich eine Beseelte bin? … Diese Kopfschmerzen sind nicht auszuhalten“
Kos war ein paar Schritte zurückgetreten. Kex zuckte nur mit den Schultern.
„Von irgendetwas müssen wir leben“, sagte er.
„Warum arbeitet Ihr dann nicht, wie alle anderen ehrbaren Leute“, entgegnete Nomo.
„Esrin hat mich mit dem Proviant zu euch geschickt“, sagte Kos kleinlaut.
„Ist er oben? Hat er gesagt, wie lange wir hierbleiben müssen?“, fragte Kex.
„Er ist oben. Ich soll euch nur den Proviant geben. Er hat die anderen aus der Stadt geschickt, nur ich bin noch da. Ich glaube, die Wachen suchen nach ihr“, sagte Kos und blickte schüchtern zu Nomo hinüber.
„Natürlich suchen die Wachen nach mir. Mein Vater, meine Mutter, Onkel Houst, sie werden die ganze Stadt auf den Kopf stellen. Du musst den Wachen nur sagen, wo ich bin“, mischte sich Nomo ein.
„Da können wir uns auch gleich selbst umbringen“, entgegnete Kex, „Wenn sie Kos überhaupt glauben, landen er und ich in der Grube. Oder Esrin erfährt davon. Bartar – er musste dich aus dem Palast schleppen – den hat Esrin erstochen, einfach so!“
„Und für so jemanden arbeitet Ihr? Kein Wunder, dass…“, begann Nomo, führte den Satz aber nicht zu Ende.
„Kein Wunder was?“, fragte Kex.
„Nichts. Werdet ihr beiden mir helfen, wieder in den Palast zu kommen? Danach müsstet ihr nicht mehr für diesen Esrin arbeiten“, fragte Nomo.
„Weil wir dann tot sind“, antwortete Kex, während er die beiden Säcke mit Proviant von der Plattform nahm.
„Esrin hat dem Wärter mit dem Tod gedroht, wenn er euch nach oben lässt. Aber er ist mein Freund. Und er mag Wein. Wenn er welchen getrunken hat, läuft sein Kopf immer ganz rot an und er macht verrückte Dinge. Einmal ist er nackt das Treppengeländer heruntergerutscht, ein anderes Mal ist eine der Tanten auf seinem Rücken durch das ganze Haus geritten. Bestimmt holt er euch auch wieder nach oben. Ich weiß nur nicht, wo ich Wein herbekomme“, sagte Kos
„Du kannst welchen auf dem Markt kaufen. Es gibt eine lose Diele unter meiner Matte in unserem Unterschlupf. Dort findest du genügend Geld“, antwortete Kex gepresst, in jeder Hand einen der Wasserbehälter.
Nomo hob erstaunt die Augenbrauen, sagte jedoch nichts. Kaum hatte Kex die Plattform mit dem letzten Wasserbehälter verlassen, setzte sich diese wieder nach oben in Bewegung. Kos schaute von ihrem Rand zu Kex und Nomo herab, bis sie so klein waren, wie Spielzeugpuppen.
***
Der König saß in seinem Arbeitszimmer und wartete bis der Diener die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann nippte er kurz an seinem Weinglas, stand auf und ging zu einem großen Bücherregal hinüber. Dort drückte er zielsicher eines der Bücher nach hinten. Mit einem leisen Klick schwang ein Teil des Bücherregals zur Seite und gab einen dunklen Gang frei. Eine brennende Kerze in der Hand verschwand der König in dem Gang und zog das Regal hinter sich wieder in seine Arretierung. Am Ende des Ganges führte eine Treppe nach unten und nach einer Abzweigung ging es in einen Raum, dem Arbeitszimmer des
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