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Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Titel: Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Thiele
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halfen, bis sie eine eigene Familie gründeten. Zemal würde keine Familie gründen, er durfte nicht. Immer wenn er den ganz Kleinen den schmutzigen Hintern putzte, erinnerte er sich daran. Er hasste es. Doch die Dienenden hatten keine Wahl, sie konnten sich ihre Arbeit nicht aussuchen. Die Schande, die sie über ihre Familien gebracht hatten, konnten sie auch mit noch so harter Arbeit nicht ausradieren. Die Dienenden, das war nur eine höfliche Umschreibung für die Gescheiterten, die Zurückgebliebenen, für all jene, die es in der Einöde nicht geschafft hatten und nie schaffen würden. Er gehörte nun zu jener Gruppe von Verdammten, die still und demütig für das Wohl der Gemeinschaft sorgten. Staubfresser nannte man sie. Man schätzte ihre Dienste, jedoch diejenigen die sie leisteten verachtete man. Jeder war selbst dafür verantwortlich, Zemal akzeptierte das. Auch wenn es schwer fiel, er konnte damit leben. Mo konnte es nicht, Zemals Schicksal machte sie noch immer wütend.
    Sie war regelrecht ausgeflippt, als sie von der Entscheidung der Ältesten erfuhr. Schreiend und zeternd war sie in die Halle gestürmt. Am Ende hatte sie den Ältesten sogar gedroht und wurde dafür in den Käfig gesperrt. Noch heute schüttelte es Zemal, wenn er an Mo dachte, wie sie in einer Ecke des Käfigs hockte, ihre Haut verbrannt von der Sonne, in ihren Augen erste Zeichen von Wahnsinn. Heimlich, in der Nacht war er damals am Käfig gewesen, hatte ihr Wasser und eine Salbe gebracht. Er musste seiner Großmutter versprechen, Mo aus dem Weg zu gehen, ja, nie wieder ein Wort mit ihr zu wechseln, damit Piri Mo letztlich aus dem Käfig entließ. Ein Versprechen, das er mittlerweile wohl hundertfach gebrochen hatte. Er konnte sich vor Mo nicht verstecken, insgeheim wollte er das auch gar nicht. Zumindest lebte Mo noch, sie war dem Tod nur knapp entgangen. Bereits bewusstlos musste sie aus dem Käfig getragen werden. Danach hatte sie noch mehrere Tage von Fieber geschüttelt in ihrem Zelt gelegen. Die Bedingungen in der Einöde waren hart, wer hier lebte, brauchte die Gemeinschaft. Und diese brauchte feste Regeln. Mo sah das nicht ein, Zemal schon. „Weisheit kommt mit dem Alter“, sagt Zemals Großmutter Piri immer, wahrscheinlich ist Mo nur noch zu jung. Eines Tages wird auch Mo die Entscheidungen der Ältesten respektieren, dann, wenn sie sich einen Mann gewählt und eigene Kinder hat. Vielleicht würde sie irgendwann selbst in den Rat der Ältesten gewählt. Dann wäre es an ihr, solche Entscheidungen zu treffen. Derzeit jedoch brannte Mos Zorn gegen die Ältesten noch lichterloh. Die zwei Tage im Käfig hatten ihn eher befeuert.
    Das Zelt seiner Schwester war blitzblank, Zemal hatte auch den kleinen Riss in der Zeltplane geflickt, den der letzte Sturm aufgerissen hatte. Eigentlich musste er weiter, Ramed war schwanger, ihr Zelt bald zu klein. Zemal musste ihnen helfen, ein neues zu nähen. Aber im Zelt der Näher war er nicht allein, er fürchtete die verstohlenen, teils mitleidigen Blicke der anderen, ihr Getuschel. Zemal klopfte noch einmal den Teppich aus, zum dritten Mal. Dann legte er ihn akkurat in die Mitte des Zeltes auf den Boden und richtete auch noch jede Franze einzeln aus. Schließlich seufzte er, stand auf und machte sich auf den Weg zum Zelt der Näher. Das grelle Licht brannte in seinen Augen bis er sich den Schleier davor band. Seit seinem Besuch in Nadamal war er ein Nachtjäger. Auch wenn er nicht wirklich zu ihnen gehörte, er teilte mit ihnen die Scheu vor dem Tageslicht, fühlte sich wohler, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war. Ihre teils arrogante Attitüde teilte er aber nicht. Wie auch, als Dienender, als Staubfresser. Für Zemal verbarg die Nacht seine Scham. Es war ein Novum unter den Verdammten, einen dienenden Nachtjäger hatte es noch nie gegeben. Dies brachte Mo zusätzlich auf. Und sie sorgte dafür, dass es auch Zemal nicht vergaß.
    Zemal begegnete nicht vielen Verdammten auf seinem Weg zum Zelt der Näher. Meist war es nur ein anderer Dienender, der mit gesenktem Kopf durch die Zeltreihen hastete. Manchmal hörte Zemal, wie sie die Liste ihrer Arbeiten vor sich hinmurmelten. Jene grüßten ihn nicht einmal. Wie viele Jahre würde es brauchen, bis er genauso abgestumpft war? Früher, als er noch nicht zu ihnen gehörte, hatte Zemal die Dienenden kaum wahrgenommen. Die letzte Dienende in seiner Familie, eine seiner Tanten, war eines Tages verschwunden. Zemal war damals noch sehr

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