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Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Titel: Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Thiele
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klein und konnte sich gar nicht mehr richtig an sie erinnern. Einmal hatte Zemal ein Gespräch seiner Eltern mit Piri belauscht, in dem sie von Ramed als zukünftige Dienende sprachen. Auch eine Älteste wie Piri kann sich irren. Ansonsten hatten die Dienenden in seinem Leben nicht stattgefunden, ihren Alltag kannte er nur aus den Erzählungen seiner damaligen Freunde. Umso weniger war er auf das Leben als Dienender vorbereitet.
    Wenig später saß Zemal im Zelt der Näher, gleich neben seinem neuen Schwager. Seine Schwester Ramed war in den Gewächshäusern. Selbst schwanger konnte sie noch kräftiger zupacken als ihr Mann. Damit das junge Paar nicht verhungerte, übernahm besser sie die Feldarbeit. Ob die schon als jämmerlich zu bezeichnende körperliche Verfassung seines Schwagers die Ursache für die Mangelernährung oder deren Ergebnis war, konnte Zemal nicht sagen. Schließlich durfte jeder Verdammte – abgesehen von den Dienenden, die waren auf die Almosen ihrer Verwandten angewiesen – für sich und seine Familie in den Gewächshäusern Nahrung anbauen. Wer das nicht schaffte, verhungerte. Beim Nähen war sein Schwager aber um einiges geschickter als Zemal. Zemal hatte Schwierigkeiten, nicht seine Finger mit an das Zelt zu nähen. Bei etwa jedem dritten Stich pikste er sich in die Hand. Sein Schwager beobachtete Zemals Bemühungen eine Weile, dann schüttelte er letztlich mit dem Kopf.
    „Du hältst das falsch, so stichst du dich doch ständig. Schau her, die beiden Kanten übereinander, den Zeigefinger anwinkeln und vor dem Daumen durchstechen. So!“, erklärte er, während er es Zemal noch einmal zeigte.
    Zwei Mädchen, wohl ein paar Jahre jünger als Zemal, schauten herüber und tuschelten miteinander. Sie glaubten wohl, Zemal würde sie nicht verstehen. Doch wie seine Augen in der Nacht sehen konnten, hörte Zemal seit Nadamal jeden noch so kleinen Kieselstein zu Boden fallen. Als Dienender war das nicht gerade ein Segen.
    „Ich habe gehört, Mo musste ihn aus der Einöde retten“, sagte die Erste.
    „Wirklich?“, fragte die Zweite.
    „Ja. Er soll von einem Rattenbaby angefallen worden sein! Die Ratte hatte ihn schon zu Boden geworfen und nagte an seinem Bein. Er wusste nicht einmal wie man den Speer richtig herum hält. Als Mo dazukam, hat sie der Ratte einfach einen kräftigen Tritt verpasst und ihr damit das Genick gebrochen. Bestimmt hat er den Rest des Weges über sein verletztes Bein gejammert. Au, au mein Bein. Nicht so schnell Mo. Kannst du mich nicht stützen?“, äffte die Erste.
    Beide Mädchen kicherten für eine Weile leise.
    „Einige haben gesehen, wie er noch immer humpelt, wenn er sich unbeobachtet wähnt. Schau nur, er hat sich schon wieder in den Finger gestochen. Gleich wird er anfangen zu heulen“, meinte die Zweite.
    Wieder krümmten sich die beiden vor Lachen. Sie gaben sich nicht einmal Mühe, zu verbergen, dass sie sich über Zemal lustig machten.
    „Kein Wunder, dass er bei den Staubfressern gelandet ist. Die Mistgruben zu leeren, muss übrigens seine Lieblingsbeschäftigung sein. Ich kann die Scheiße bis hierher riechen. Was Mo nur an ihm findet? Warum hat sie ihn nicht einfach in der Einöde liegen lassen. Allein hätte der doch nie zurückgefunden“, antwortete die Erste als sie sich wieder beruhigt hatte.
    Zemal biss die Zähne zusammen. Am liebsten hätte er die beiden aus dem Zelt geprügelt. Für einen kurzen Moment spielte er mit dem Gedanken, es tatsächlich zu tun. Sicher, es wäre wahrscheinlich das letzte, das er in seinem Leben tun würde, aber die Genugtuung war verlockend. Ein spitzer Ellenbogen, der sich zwischen seine Rippen bohrte, holte ihn wieder zurück in die Wirklichkeit.
    „Schlaf nicht ein! Das Zelt soll bis morgen fertig werden“, ermahnte ihn sein Schwager.
    Zemal wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Nadel in seiner Hand zu.
    ***
    „Danke Älteste Beo. Es ist schön, dass Ihr Euch für mich Zeit genommen habt und mein Vorhaben in den Rat einbringen wollt. Die anderen Ältesten haben mir nicht einmal zugehört. Eure Stimme können sie nicht einfach ignorieren. Unsere Wasserversorgung ist ein zu ernstes Thema. Jetzt muss ich weiter“
    Mit diesen Worten verabschiedete sich der Mann und verließ das Zelt. Beo blieb allein zurück. „Älteste Beo“, dass klang noch immer ein wenig fremd in ihren Ohren. „Älteste“… Sie war noch nicht einmal vierzig. In letzter Zeit drängten sie einige Verdammte, sich einen neuen Mann zu wählen,

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