Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Metalltür hing ein ramponiertes, in grellen Farben bemaltes Brett mit der Aufschrift Peepshow .
Kaum hatte er geklopft, knallte eine Luke auf. »Was willst du? Wir haben zu.«
»Ich suche Malum. Man hat mich hergebeten.« Jeryd sah sich verstohlen um; es hatte wieder zu schneien begonnen, und die Flocken wehten ihm in Böen um den Kopf. Ein Fiaker ratterte vorbei, und Jeryd zog den Hut in die Stirn; hier wollte er selbst als Fremder nicht gesehen werden.
»Ihr seid der Ermittler?«, fragte die Stimme lallend.
»Ermittler Jeryd, ja.«
Dumpf öffnete sich die Tür, und ein schmuddeliger, schwarzhaariger Zwanzigjähriger winkte ihn in die Dunkelheit.
»Ich suche wohl Kabine drei.« Jeryd hielt dem jungen Mann einen Zettel hin, doch der kümmerte sich nicht darum.
Der dunkle Flur roch leicht nach altem Weihrauch, und Jeryd spürte die Feuchtigkeit ringsum. Hier ist es ja wie im Inquisitionsgefängnis . Aus Räumen, die er nicht sah, drangen Stimmen zu ihm, und als er sie mit dem Jungen passierte, versiegten die Gespräche. Mitunter hörte er Stöhnen, gefolgt von seltsamen Kehllauten, die er nicht einzuordnen wusste.
»Da drin.« Der junge Mann wies nach rechts.
»Danke!« Jeryd stand vor Nummer drei, trat ein und schloss die schmale Holztür hinter sich.
Vor einem großen Fenster – besser: einer großen Schwärze, momentan – stand ein Hocker. Ansonsten gab es, von den nackten Wänden abgesehen, kaum mehr als einen Eimer und einige Handtücher. Jeryd ging zum Hocker und spähte durch das dunkel gefärbte Glas. Es war vollkommen still, und sein Puls beschleunigte sich.
Je länger er in das seltsame Fenster sah, umso größer wurde seine Spannung, ohne dass er etwas erkennen konnte. Er klopfte dagegen und stellte fest, dass es sich um eine dicke Scheibe handelte.
Plötzlich flammte auf der anderen Seite des Glases ein Licht auf, und Jeryd sah eine zusammengesunkene Gestalt in modischem Langmantel und einer das braune Haar halb verbergenden Maske auf einem Stuhl sitzen. Dessous und Ketten hingen daneben an einem Fleischerhaken, und drei, vier Spiegel mit Silberrahmen lehnten an den Wänden und zeigten die gut gekleidete Figur aus ungewöhnlichen Perspektiven.
»Ermittler Jeryd«, sagte der Mann. »Wie ich höre, habt Ihr nach meinem Namen gefragt. In letzter Zeit erkundigen sich viele Leute nach mir – ich bin offenkundig beliebt.«
»Ja, das stimmt. Ihr seid also Malum?« Jeryd sah keine Möglichkeit, das in die Wand gemauerte Glas zu umgehen. Eine kleine Münzdurchreiche daneben schien zum Bezahlen bestimmt.
»Das bin ich. Und es gibt keinen Weg zu mir, Jeryd«, erwiderte Malum kühl. »Ihr braucht also nicht erst danach zu suchen. Diese Fenster sind von Kultisten eigens zur Sicherheit angefertigt worden.«
»Sicherheit für wen?«, fragte Jeryd.
»Im Moment für Euch, meist aber für meine Frauen.«
»Sitzen die normalerweise auf Eurem Stuhl?«
»Normalerweise strippen sie für Geld hinter Glas, und einsame Männer, die auf Erregung brennen, werfen eine Münze in die Durchreiche an der Seite.«
»Und die Männer … «
»Sehen zu«, erwiderte Malum. »Viele onanieren auch. Sex gibt’s nicht, und die Frauen sind geschützt. So sind alle zufrieden.«
»Wieso kann ich Euch erst bei eingeschalteter Lampe sehen?«
»Das liegt am Glas der Kultisten: gutes Material. Ich habe viele Kontakte.« Sein Ton veränderte sich. »Kommen wir zum Geschäft: Warum habt Ihr nach meinem Namen gefragt?«
»Jemand hat ihn mir gegeben, nachdem mir schlechtes Fleisch verkauft worden war.«
Malum lachte. »Deshalb? Nur wegen Fleisch?«
»Ich habe Grund zur Annahme, dass in Villiren Fleisch von zweifelhafter Herkunft verkauft wird. Der Händler sagte, Ihr habt bei der Verteilung geholfen. Ich will nur wissen, woher das Fleisch stammt.«
»Mutig von Euch, herzukommen und mich das zu fragen.«
»Möglich – vermutlich bin ich aber einfach dumm.«
Malum stieß ein Lachen aus. »Ich mag Euch, Ermittler. Die Leute beginnen so langsam diese Art Fragen zu stellen, und ich möchte meinen Namen nicht im Zusammenhang mit solchen Banalitäten sehen. Was haltet Ihr davon, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich Euch einen Namen und eine Adresse nenne?«
Jeryd durchschaute Malums markiges Gerede, wollte ihn aber nicht verärgern. »Einverstanden.«
»Voland. Von dem bekommen wir das Fleisch. Ich habe jüngst – über das Verteilen von Ware hinaus – ein paar Geschäfte mit ihm gemacht, und um ehrlich zu sein: Ich bin mit dem,
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