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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Weide, deren Äste anmutig im leichten Wind wehten. Noch immer kam sie nicht über die ungewohnte Wärme hinweg.
    Sie führten ihr Gespräch über das, was sie in den letzten Jahren ohneeinander erlebt hatten, bis in die Gegenwart fort. Kaum aber hatte er den aufziehenden Krieg und die gefährliche Lage erwähnt, der die Stadt sich gegenübersah, verdüsterte sich die Stimmung. Er erzählte ihr von seinen Aufgaben als Nachtgardist und davon, wie viel Ehre, Stolz und Verpflichtung damit verbunden waren, und beschrieb ihr sogar die magischen Praktiken, vermittels derer er als Neuzugang der Elitetruppe mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet worden war. Als er ihr von den durch Kultisten verabfolgten Flüssigkeiten berichtete, die dabei im Spiel gewesen waren, konnte er ihr den Vorgang kaum erklären und sprach nur von dem Schmerz, der ihn durchströmt hatte, und davon, dass er sich seither von Verletzungen ungemein rasch erholte. Den Kopf auf ihrer Schulter, erzählte er von den jüngsten Angriffen auf Tineag’l und beschrieb ihr, so gut er konnte, die groteske und fremdartige Gattung, gegen die sie gekämpft hatten.
    »Hast du keine Angst zu sterben?«, fragte sie besorgt.
    Sein schiefes Lächeln mochte alles Mögliche bedeuten. »Ich bin Nachtgardist, also ein mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestatteter Soldat. Obendrein gehöre ich in meiner Truppe zu den Besten. Ja, ich mag sterben – wie es uns allen blüht – , doch vorläufig ist meine Überlebenschance höher als die der meisten Kameraden. Und wenn ich falle, dann bei dem Versuch, andere zu schützen: Dafür wurde ich ausgebildet, und so entspricht es meinem Selbstverständnis. Die Vorstellung zu sterben ist für mich nichts Neues.«
    Als sie schwieg, fügte er hinzu: »Ich erwarte von dir nicht, das zu verstehen, aber du musst es akzeptieren.«
    Beami war zunehmend besorgt, ihn erneut an die Armee zu verlieren. Daher redeten sie stundenlang und hätten – da es ganz gleich war – noch tagelang damit fortfahren können. Schließlich aber hatten beide das Gefühl, sie sollten zurückkehren. Ihr schlechtes Gewissen hatte sie eingeholt.
    Kaum hatte Beami das Heimr aus der Tasche gezogen, schloss sie die Augen, um die fast unmerklichen Energieströme unter der Oberfläche des Metalls zu spüren. Als sie wieder in ihrem Arbeitszimmer anlangten, traf dessen Kälte sie mit aller Wucht und ließ sie nach Luft schnappen, als wären sie getaucht und nun zurück an der Wasseroberfläche.
    »Seit wir das Zimmer verlassen haben, ist nicht eine Sekunde vergangen«, beruhigte sie Lupus, der sich ungläubig umsah. »Du gehst jetzt besser. Ich möchte nicht, dass er dahinterkommt.«
    »Natürlich«, sagte er und küsste sie sanft. Seine Leidenschaft war einer Zärtlichkeit gewichen, die sie – das war ihr klar – nur zu bald vermissen würde.
    Sie brachte ihn zur Tür und drückte ihm angebliche Dokumente in die Hand, damit sein Besuch etwas Offizielles bekam und Malums Leute sich nicht wunderten. Von einem der oberen Fenster sah sie Lupus zielstrebig durch den Schnee zurück in die Stadt schreiten, ohne dass er sich noch einmal umblickte.
    Nach seinem Weggang war die Stille im Haus mit Händen zu greifen.

KAPITEL 9
    I n einer neuen Stadt zu sein, bedeutete, sich einen neuen Ort zum Trinken suchen zu müssen. Jeryd hatte gern mit dem Notizbuch in seinen Villjamurer Lieblingsbistros gesessen, aromatisierten Tee genippt, über Fälle nachgesonnen und die Welt an sich vorbeiziehen lassen. Auf den Märkten von Villiren wunderte er sich stets, wie viele Lebensmittel noch zu haben waren, obwohl er vermutet hatte, der Eiszeit wegen gebe es kaum noch Frischfleisch. In seiner Heimat jedenfalls war die Landwirtschaft so gut wie am Ende, und nur wer reich genug war, Kultisten zu bezahlen, konnte sich Fleisch leisten. In ganz Villiren dagegen brachten Köche regelmäßig gutes Essen auf den Tisch, ob gehaltvolle Gerichte aus der Stammestradition, zeitgenössische Küche oder raffinierte Kreationen à la Villjamur.
    In seinem Bestreben, neue Gewohnheiten anzunehmen, war er frappiert, wie lange er schon im Dienst der Inquisition stand: fast hundertachtzig Jahre. Und kein Tag war wie der andere gewesen. Ob es in dieser Stadt anders wäre?
    In der Altstadt sahen die Bistros am interessantesten aus. Manche befanden sich in barocken Bauten im Schatten der Flügel. Er betrat ein warmes, sicher nicht überwältigendes Lokal mit rot-weiß kariertem Fußboden und einigen wohlhabend

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