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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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soll.«
    »Aha.« Er nickte. »Mir gefiel es auch nicht, als der Augenblick der Wahrheit gekommen war. Und es gefällt mir immer noch nicht.« Er seufzte plötzlich tief. »Du kannst dich von Fall zu Fall entscheiden. Das erste Mal ist das schwerste. Aber vorläufig solltest du bedenken, daß diese Entscheidung noch etliche Jahre in der Zukunft liegt. Und in der Zwischenzeit hast du viel zu lernen.« Er zögerte. »Das ist der Punkt, Junge. Ein Grundsatz, der immer und überall gilt. Lernen ist niemals schlecht. Selbst lernen, wie man tötet, ist nicht schlecht. Oder gut. Es ist eine Wissenschaft, in der ich dich unterweisen kann. Weiter nichts. Also, bist du einverstanden, bei mir in die Lehre zu gehen und eine Gewissenserforschung auf später zu verschieben?«
    Was für eine Frage, um sie einem Kind zu stellen. Sogar damals sträubten sich mir die Nackenhaare, aber welche Einwände hätte ich erheben sollen? Außerdem war meine Neugier geweckt.
    »Ich will lernen.«
    »Gut.« Er lächelte, aber ein Ausdruck von Müdigkeit trat auf sein Gesicht, und er wirkte nicht so erfreut, wie man hätte vermuten sollen. »Das muß fürs erste genügen. Das muß genügen.« Er schaute sich in dem Zimmer um. »Wir können ebensogut gleich beginnen. Fangen wir damit an, daß wir hier Ordnung schaffen. In der Ecke steht ein Besen – aber da fällt mir ein, erst solltest du dein Nachthemd gegen etwas ... Aha, da hinten hängt ein alter Kittel. Den kannst du vorerst überziehen. Am Ende wundert man sich im Waschhaus, weshalb deine Nachthemden nach Kampfer und Linderpein riechen, und das wäre nicht gut für uns. Nun, du fegst den Boden, und ich räume einiges von dem Krimskrams an Ort und Stelle.«
    Auf diese Weise vergingen die nächsten paar Stunden. Ich kehrte und wischte den Fliesenboden. Chade gab mir Anweisungen, wohin mit den Paraphernalien von dem großen Tisch, und ich wendete die Kräuterbüschel an der Darre. Für seine Eidechsen schnitt ich übelriechendes altes Fleisch in kleine Stücke, die sie ganz verschluckten. Ich wusch eine Unzahl Töpfe und Schüsseln sauber und räumte sie weg. Dabei werkelte er neben mir, allem Anschein nach dankbar für die Gesellschaft, und schwatzte, als wären wir beide alte Männer. Oder halbwüchsige Buben.
    »Kein Alphabet bis jetzt? Keine Zahlen? Unerhört! Was denkt sich der alte Knabe? Nun, ich werde dafür sorgen, daß das schnell geändert wird. Du hast deines Vaters Stirn, Junge, und seine Art, sie in Falten zu legen. Hat dir das schon einmal jemand gesagt? Aha, da bist du ja, Schleicher, du Strauchdieb. Was hast du wieder angestellt?«
    Ein braunes Wiesel tauchte hinter einem Wandteppich auf, und wir wurden miteinander bekannt gemacht. Chade zeigte mir, wie man Schleicher mit Wachteleiern fütterte, und lachte, als der kleine Kerl sich bettelnd an meine Fersen heftete. Er schenkte mir ein Kupferarmband, das ich unter dem Tisch entdeckte, warnte mich, es könnte meinen Arm grün färben, und falls jemand mich danach fragte, sollte ich sagen, ich hätte es hinter dem Stallgebäude gefunden.
    Zwischendurch machten wir eine Pause bei Honigkuchen und heißem, gewürztem Wein. Wir saßen auf weichen Teppichen an einem niedrigen Tisch vor dem Kamin; ich beobachtete, wie der Feuerschein über seine verwüsteten Züge huschte, und fragte mich, weshalb er mir so furchteinflößend erschienen war. Er bemerkte, daß ich ihn ansah, und verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln. »Kommt dir bekannt vor, Junge, nicht wahr? Mein Gesicht.«
    Nein, es kam mir nicht im geringsten bekannt vor. Mich hatten die grotesken Narben auf der kreidigen weißen Haut fasziniert. Was meinte er? Ich starrte ihn fragend an.
    »Mach dir keine Gedanken deswegen, Junge. Es hinterläßt seine Spuren bei uns allen, und früher oder später wirst du dahinterkommen. Aber jetzt, nun ...« Er stand auf und reckte sich, so daß unter dem Saum des Gewandes seine knochigen bleichen Unterschenkel zum Vorschein kamen. »Jetzt ist es hauptsächlich spät. Respektive früh, je nachdem, welches Ende des Tages dir lieber ist. Zeit für dich, wieder ins Bett zu gehen. Du wirst daran denken, daß dies alles ein sehr geheimes Geheimnis ist, oder? Nicht bloß ich und dieses Zimmer, sondern die ganze Angelegenheit – nachts aufstehen und lernen, wie man Menschen ermordet und so weiter.«
    »Ich werde nichts verraten«, sagte ich, und weil ich spürte, daß er darauf wartete, fügte ich hinzu: »Mein Wort darauf.«
    Er kicherte

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