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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dann wirst du dich bei mir entschuldigen, weil du mich dazu gebracht hast zu tun, was ich nicht tun wollte.«
    »Wenn Ihr es sagt.«
    »Hinaus mit dir, samt deiner Anmaßung! Unerträglicher Knabe!« Wieder stampfte sie mit dem Fuß auf, wirbelte herum und flüchtete zurück in ihr Schlafgemach. Lacey hielt mir die Tür auf, als ich hinausging. Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepreßt, als müßte sie sich gewaltsam eines Kommentars enthalten.
    »Nun?« frage ich, um sie zu erlösen.
    »Ich dachte eben, daß Ihr Eurem Vater sehr ähnlich seid. Nur weniger starrköpfig. Er pflegte sich nicht so schnell geschlagen zu geben wie Ihr.« Damit schloß sie die Tür hinter mir.
    In düsterer Stimmung stieg ich die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Ich mußte endlich den Verband an meinem Hals wechseln, und die Wunde am Arm pochte bei jedem Schritt. Auf dem Absatz blieb ich stehen und betrachtete die brennenden Kerzen in den Wandhaltern. Dann stieg ich die nächste Treppe hinauf.
    Ich klopfte mehrmals an, wartete, klopfte wieder. Der gelbe Lichtschein unter ihrer Tür erlosch. Ich zog das Messer und hantierte damit unverfroren an ihrem Schloß. Meinem Rat folgend, hatte sie es ausgewechselt. Zusätzlich schien ein Riegel vorgelegt zu sein, der sich mit der Messerspitze nicht anheben ließ. Ich gab auf und ging.
    Abwärts ist immer leichter als aufwärts, zu leicht sogar, wenn man einen verletzten Arm hat. Ich schaute in die Tiefe, wo die Wellen gegen die Klippen brandeten und wie durchbrochene weiße Spitze über den schwarzen Fels schäumten. Nachtauge hatte recht behalten – der Mond lugte zwischen den Wolken hervor. Das Seil glitt durch eine Hand, und ich ächzte, als sich an dem verwundeten Arm die Muskeln spannten, um mein Gewicht zu halten. Nur noch ein kleines Stück, gelobte ich mir.
    Der Sims von Mollys Fenster war schmaler, als ich gehofft hatte. Ich ließ das Seil um meinen Arm geschlungen, während ich dort kauerte. Das Holz der Fensterläden war so verzogen, daß sich die Messerklinge ohne Schwierigkeiten dazwischen schieben ließ. Der obere Riegel fiel zurück, und ich war mit dem unteren beschäftigt, als ich von drinnen ihre Stimme hörte.
    »Wenn du hereinkommst, schreie ich. Dann hast du es mit der Wache zu tun.«
    »Dann stellst du am besten schon einmal Teewasser für sie auf«, entgegnete ich grimmig und hantierte weiter am unteren Riegel.
    Einen Augenblick später riß Molly die Läden auf. Im Nachthemd, mit aufgelöstem Haar, um die Schultern ein wollenes Tuch, stand sie vor dem flackernden Schein des Feuers im Kamin.
    »Geh weg«, fauchte sie. »Verschwinde.«
    »Ich kann nicht«, japste ich. »Mir fehlt die Kraft, um wieder nach oben zu klettern, und das Seil reicht nicht bis ganz nach unten.«
    »Jedenfalls kannst du nicht hereinkommen«, wiederholte sie starrsinnig.
    »Na gut.« Ich machte es mir auf dem Sims bequem, ein Bein im Zimmer, das andere baumelte nach draußen. Der Wind fegte an mir vorbei, bauschte ihr Nachthemd und ließ das Feuer auflodern. Ich schwieg. Nach einer Weile begann sie zu frösteln.
    »Was willst du?« fragte sie ärgerlich.
    »Dich. Ich wollte dir sagen, daß ich morgen zum König gehe, um von ihm die Erlaubnis zu erbitten, dich heiraten zu dürfen.« Die Worte kamen mir ohne Absicht über die Lippen. Mir wurde schwindelerregend bewußt, daß ich alles sagen und tun konnte. Einfach alles.
    Molly starrte mich an, dann sagte sie mit kehliger Stimme: »Ich habe nicht den Wunsch, dich zu heiraten.«
    »Das hätte ich ihm selbstverständlich nicht gesagt.« Ich grinste sie an.
    »Du bist unerträglich!«
    »Ja. Und ich friere. Bitte, laß mich hinein, und wenn nur, damit ich mich aufwärmen kann.«
    Sie gab mir keine Erlaubnis mit Worten, aber sie trat vom Fenster zurück. Ich sprang leichtfüßig ins Zimmer, ohne den aufzuckenden Schmerz in meinem Arm zu beachten, und schloß und verriegelte die Läden. Dann ging ich zum Kamin und warf mehr Holz ins Feuer, um die Kälte aus dem Raum zu vertreiben. Als die Flammen hochzüngelten, rieb ich mir darüber die Hände. Molly sagte kein Wort. Kerzengerade stand sie da und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ich sah zu ihr hin und lächelte.
    Sie verzog keine Miene. »Du solltest gehen.«
    Ich fühlte, wie mein eigenes Lächeln gerann. »Molly, bitte rede mit mir. Das letzte Mal, als wir miteinander gesprochen haben… ich dachte, wir hätten uns verstanden. Seither aber schweigst du beharrlich, du wendest dich

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