Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
hatten. Ich sollte mit ihm gehen.
    Ich begriff nicht, wie er sich das vorstellte.
    Wieder und wieder hatte ich ihm erklärt, daß ich gefangen war, mein Körper, gefangen in einem Käfig, genau wie du, weißt du noch? Mein Bewußtsein konnte bei ihm sein, für eine gewisse Zeitspanne wenigstens, aber ich konnte nicht mit ihm gehen, wie er es wollte. Jedesmal antwortete er, er habe mich verstanden, aber ich verstünde ihn nicht. Nun ging es also von vorne los.
    Ich spürte wie er sich zur Geduld zwang. Du mußt mit mir kommen, jetzt. Den ganzen Weg. Bevor sie kommen, um dich zu wecken.
    Ich kann nicht. Mein Körper ist in einem Käfig eingesperrt.
    Laß ihn zurück! forderte er heftig. Laß los!
    Was meinst du?
    Verlaß ihn, laß los, komm mit mir.
    Du meinst, sterben? Das Gift schlucken?
    Nur, wenn es nicht anders geht. Aber tu es jetzt, schnell, bevor sie dir noch mehr Schmerzen zufügen können. Laß deinen Körper zurück und komm mit mir. Laß los, du hast es schon einmal getan. Erinnerst du dich?
    Die Anstrengung, seine Gedankenbilder zu verstehen, brachte mir unsere Zweiheit zu Bewußtsein. Die Schmerzen meines mißhandelten Körpers drängten in die Illusion, um mich zu quälen. Irgendwo war ich steif vor Kälte und elend und jeder Atemzug verursachte einen stechenden Schmerz in meiner Brust. Ich kroch weg davon, zurück in den starken, gesunden Körper des Wolfs.
    Ja, ja. Laß ihn zurück. Laß los– laß einfach los.
    Plötzlich wurde mir klar, was er von mir wollte. Ich wußte nicht genau, wie ich es anfangen sollte, und ich war nicht sicher, daß ich es konnte. Ja, ich erinnerte mich daran, daß ich meinen Körper losgelassen und in seine Obhut gegeben hatte. Um Stunden später neben Molly aufzuwachen. Doch ich war nicht sicher, wie ich es zuwege gebracht hatte. Es war auch nicht ganz dasselbe gewesen. Der Wolf hatte in mir gewacht, während ich auf den tiefsten Grund meines Selbst gesunken war. Diesmal wollte er, daß ich noch einen Schritt weiterging, willentlich das Band zerriß, das Geist und Fleisch verband. Selbst wenn ich herausfand, wie ich es anstellen mußte, war ich mir nicht sicher, ob ich den Willen hatte, es zu tun.
    Leg dich einfach hin und stirb, hatte Burrich zu mir gesagt.
    Ja, das ist richtig. Stirb, wenn es nötig ist, aber komm mit mir.
    Von einer Sekunde zur anderen war mein Entschluß gefaßt.
    Vertrauen. Burrich vertrauen, dem Wolf vertrauen. Was hatte ich zu verlieren?
    Ich atmete tief ein und traf Anstalten wie für einen Sprung in kaltes Wasser.
    Nein, nein, laß einfach los.
    Ich versuch’s. Ich versuch’s. Was war es, das mich in meinem Körper festhielt? Ich atmete langsamer, ich befahl meinem Herzen, langsamer zu schlagen. Ich verschloß mich den Empfindungen von Schmerz, Kälte, Steifheit. Ich entfernte mich davon, sank tief in mich hinein, wie schon einmal.
    Nein! Nein! heulte Nachtauge verzweifelt. Zu mir! Komm zu mir. Nicht dahin, komm zu mir!
    Aber da waren schwere Schritte draußen, das Murmeln von Stimmen. Ein Angstschauer überlief mich, und gegen meinen Willen verkroch ich mich tiefer in Brawndys Umhang. Ein Auge öffnete sich einen Spalt, und ich sah dieselbe halbdunkle Zelle, dasselbe winzige, vergitterte Guckfenster. In mir fühlte ich einen hohlen, kalten Schmerz, heimtückischer als Hunger. Vielleicht war kein Knochen gebrochen, aber in mir war etwas zerrissen. Ich wußte es.
    Du bist wieder in deinem Käfig! rief Nachtauge. Verlaß ihn! Verlaß deinen Körper und komm zu mir!
    Es ist zu spät, flüsterte ich. Lauf weg, lauf weg. Du sollst nicht teilen, was jetzt geschieht.
    Sind wir nicht Brüder? Verzweiflung, an- und abschwellend wie das Heulen eines Wolfs.
    Sie waren an meiner Tür, stießen sie auf. Angst packte mich und ließ mich zittern. Fast hätte ich das Handgelenk zum Mund geführt und das Carryme aus der Manschette gesaugt, aber ich krampfte nur die Faust um das winzige Briefchen mit Wallaces Gift und verbarg den Gedanken daran mit mir hinter meinen Schutzwehren.
    Derselbe Mann mit der Fackel, dieselben beiden Soldaten, derselbe Befehl. »Du da. Hoch mit dir!«
    Ich ließ Brawndys Umhang fallen. Einer der Männer war noch menschlich genug, um bei dem, was er sah, blaß zu werden. Die anderen beiden blieben ungerührt. Als ich mich für ihren Geschmack nicht schnell genug bewegte, packte einer mich am Arm und riß mich in die Höhe. Ich konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Mehr als der Schmerz erschreckte mich ein anderer Gedanke. Wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher