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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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eine bestimmte Anzahl von Stunden, und es gibt nur eine bestimmte Anzahl von Tagen, um zu tun, was ich tun muß.
    Weshalb zerstückelst du dein Leben in Teile und gibst diesen Teilen Namen? Stunden. Tage. Es ist wie mit einem Kaninchen. Wenn ich ein Kaninchen töte, esse ich ein Kaninchen. Er schnaufte verachtungsvoll. Wenn du ein Kaninchen hast, zerlegst du es und nennst es Knochen und Fleisch und Fell und Gedärm. Und so hast du niemals genug.
    Und was rätst du mir zu tun, o Weisester der Weisen?
    Hör auf zu winseln und handle. Damit ich schlafen kann.
    Er versetzte mir einen leichten Gedankenstüber, vergleichbar dem Rippenstoß, wenn einem auf der Wirtshausbank der Nachbar zu dicht auf den Pelz rückt. Plötzlich merkte ich, wie eng während der vergangenen Wochen unsere Verbindung gewesen war. Früher einmal hatte ich ihn gescholten, weil er sich ständig in meinem Bewußtsein aufhielt. Ich wollte nicht, daß er mein Zusammensein mit Molly belauschte und hatte versucht, ihm klarzumachen, daß zu solchen Zeiten seine Anwesenheit nicht erwünscht war. Jetzt erinnerte sein Stüber mich daran, daß heute ich es war, der sich an ihn klammerte, wie er sich als Welpe an mich. Instinktiv suchte ich sofort seine Nähe, doch ich unterdrückte den Impuls, lehnte mich auf dem Stuhl zurück und richtete den Blick wieder ins Feuer.
    Ich senkte meine Barrieren. Angespannt, mit trockenem Mund, wartete ich auf den Angriff. Als nichts geschah, fing ich an zu überlegen. Man hält mich für tot, erinnerte ich mich. Man wird nicht im Hinterhalt liegen, um einem Toten aufzulauern. Trotzdem kostete es mich Überwindung, erneut die Tore zu öffnen. Weniger schwer war es, mit offenen Augen auf eine sonnenglitzernde Wasserfläche zu schauen oder regungslos einen Fausthieb zu erwarten. Doch als ich es endlich wagte, konnte ich fühlen, wie die Gabe mich umströmte, strudelnd gegen mich brandete, als wäre ich ein Fels in einem eiligen Fluß. Ich brauchte nur hineinzutauchen und konnte dort Veritas finden. Oder Will oder Burl oder Carrod. Ich erschauerte, und der Strom wich zurück. Ich faßte Mut und trat ans Ufer. Lange Zeit stand ich dort und zögerte. Die Gabe erlaubte kein behutsames Vortasten. Entweder – oder. Ganz oder gar nicht.
    Hinein, und ich wurde erfaßt und herumgewirbelt und fühlte mein Selbst zerspleißen wie ein altes Hanfseil. Stränge, die sich aufdrehten und zerfaserten, all die Schichten, die mein unverwechselbares Ich ausmachten, Erinnerungen, Gefühle, die edleren Gedanken, die Verse eines Gedichts, die mitten ins Herz trafen, Splitter des Alltags, alles wirbelte davon. Befreiung. Leichtigkeit. Ich brauchte nichts weiter tun, als loszulassen.
    Dann aber hätte Galen recht gehabt mit seinem Urteil über mich.
    Veritas?
    Keine Erwiderung. Nichts. Er war nicht da.
    Ich zog mich zurück, sammelte die verstreuten Teile und hüllte mich hinein. Es war möglich; ich stellte fest, daß ich in den Strom der Gabe eintauchen konnte und nicht fürchten mußte, mich zu verlieren. Warum war es mir früher so schwergefallen? Die Beantwortung dieser Frage konnte warten, es gab Wichtigeres. Wichtiger, nein, furchtbarer war, daß Veritas erst vor wenigen kurzen Monaten gelebt und zu mir gesprochen hatte. »Sag ihnen, Veritas lebt. Das ist alles.« Und ich hatte es gesagt, aber sie hatten es nicht begriffen, und keiner unternahm etwas. Was konnte diese Botschaft gewesen sein, wenn nicht eine Bitte um Hilfe? Ein Hilferuf meines Königs war unbeantwortet geblieben.
    Plötzlich war diese Vorstellung unerträglich, und der Gabenruf, der sich mir entrang, war wie etwas Lebendiges, ein Adler, der sich emporschwang, um auszuspähen, zu suchen und zu finden.
    VERITAS!
    ... Chivalric?
    Ein Raunen in meinem Kopf, sacht wie Mottenflügel an einem Fenstervorhang. Diesmal war es an mir, Halt zu sein und Stütze. Ich warf mich ihm entgegen und fand ihn. Sein Bewußtsein flackerte, wie die Flamme einer Kerze in ihrem eigenen Teich aus flüssigem Wachs. Ich wußte, bald würde sie erlöschen. Von tausend Fragen, die mir auf die Zunge drängten, stellte ich die dringlichste.
    Veritas, kannst du Kraft von mir empfangen, ohne mich zu berühren?
    Fitz? Schwach, zögernd. Ich dachte, Chivalric wäre zurückgekommen... Er schwankte am Rand der Dunkelheit. ... um diese Bürde von mir zu nehmen.
    Veritas, hör mir zu. Denk nach. Kannst du Kraft von mir beziehen? Jetzt, in diesem Augenblick!
    Ich weiß nicht... ich kann nicht... greifen. Fitz?
    Ich

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