Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
dessen Schwert nicht mehr wog als ein Strohhalm.
»Einfältiger Bastard! Hast du wirklich geglaubt, mich kümmerte eine schwangere Hure und ob mein Bruderherz jetzt als Drache die heimatlichen Gefilde beehrt? Der Steinbruch war mein Ziel, den ihr mir freundlicherweise unbewacht überlassen habt. Der Stoff, aus dem sich eine Armee von Drachen erheben wird!«
Wie hatten wir so dumm sein können, so blind? Hätten wir nicht ahnen müssen, was Edel ausbrütete? Wir hatten mit dem Herzen gedacht, an unsere Landsleute, an Bauern und Fischer, die den Arm ihres Königs brauchten, um sie zu schützen. Aber Edel? Er war nur an der Macht interessiert, die die Gabe ihm verschaffen konnte. Ich wußte, was er sagen würde, bevor er es aussprach. »In Bingtown und Chalced wird man das Knie vor mir beugen, und auf den Äußeren Inseln wird man sich ducken, wenn mein Name genannt wird.«
Andere kommen! Und über uns!
Nachtauges Warnung wäre beinahe mein Tod gewesen. Unwillkürlich hob ich den Blick, und Will drang auf mich ein. Ich mußte fast im Laufschritt zurückweichen, um seiner Klinge zu entgehen. Hinter ihm, vom Eingang des Steinbruchs her, kam ein Dutzend Männer mit gezückten Schwertern auf uns zugelaufen. Der Eindruck völliger Übereinstimmung zwischen ihnen verriet mir, womit ich es zu tun hatte. Eine Kordiale. Ich spürte ihre Gabe wie die Sturmböen, die einem Orkan vorausgehen. Will blieb auf einmal stehen. Mein Wolf stürmte ihnen mit gefletschten Zähnen entgegen.
Nachtauge! Halt! Du kannst nicht gegen zwölf Schwerter kämpfen, die von einem Verstand geführt werden!
Will senkte die Klinge, dann schob er sie in die Scheide. Der Kordiale rief er über die Schulter zu: »Spart euch die Mühe. Sollen die Bogenschützen ihnen den Garaus machen.«
Ein Blick zu den lotrechten Wänden des Kessels zeigte mir, es war keine leere Drohung. Soldaten in Edels Farben gingen am oberen Rand in Stellung. Für diesen Zweck waren die Truppen also bestimmt gewesen. Nicht um Veritas zu fangen, sondern um den Steinbruch zu nehmen und zu halten. Erneut flutete eine Welle der Scham und Verzweiflung über mich hinweg. Dann hob ich das Schwert und stürzte mich auf Will. Ihn wenigstens würde ich töten.
Ein Pfeil scharrte dort, wo ich gestanden hatte, über den Felsboden, und ein zweiter schlitterte zwischen Nachtauges Läufen hindurch. Ein Aufschrei erhob sich von der Kante des Steinbruchs westlich von uns. Mädchen-auf-einem-Drachen schwebte über mich hinweg, auf ihrem Rücken den Narren, einen Soldaten im braungoldenen Waffenrock zwischen den Kiefern. Der Mann war plötzlich verschwunden, und eine Rauch- oder Dampfwolke zerflatterte im Luftzug ihrer Schwingen. Mädchen-auf-einem-Drachen beschrieb einen Halbkreis, strich tief über dem Boden dahin und griff sich einen zweiten Bogenschützen, während ein anderer in seiner Angst in die Tiefe sprang. Noch eine Rauchwolke.
Wir am Boden des Steinbruchs standen wie gelähmt, Freund und Feind, und starrten in die Höhe. Will faßte sich schneller als ich. Ein zorniger Befehl an seine Bogenschützen, getragen von der Gabe. »Schießt auf sie! Holt sie herunter!«
Augenblicklich schnellte ihr eine Phalanx von Pfeilen entgegen. Einige neigten sich und fielen zu Boden, ohne sie erreicht zu haben, der übrigen erwehrte sie sich mit einem einzigen Schlag ihrer Schwingen. Die plötzliche Bö brachte die Pfeile aus der Bahn. Sie trudelten wie Strohhalme in die Tiefe und zerbrachen auf dem felsigen Boden des Kessels. Mädchen-auf-einem-Drachen beschrieb einen engen Bogen und kam geradewegs auf Will zugeflogen.
Er floh. Ich denke, Edel verließ ihn wenigstens so lange, wie er brauchte, um diese Entscheidung zu treffen. Er lief, und kurze Zeit sah es aus, als verfolge er den Wolf, der die Kordiale fast erreicht hatte. Nur, daß in dem Augenblick, als die Kordiale merkte, daß Will einen gewaltigen Drachen im Genick in ihre Richtung flüchtete, die Kordiale auf dem Absatz kehrtmachte und ebenfalls das Hasenpanier ergriff. Ich erhaschte einen kurzen Eindruck von Nachtauges triumphierendem Entzücken, daß zwölf Männer mit Schwertern es nicht mit ihm aufzunehmen wagten, dann drückte er sich auf den Boden, als Mädchen-auf-einem-Drachen im Tiefflug über uns hinwegschwebte.
Es war nicht nur der scharfe Wind ihres Vorüberziehens, den ich spürte, sondern ein betäubender Sog der Gabe, der im Nu jeden Gedanken aus meinem Kopf riß, den ich in diesem Augenblick gehabt hatte. Als wäre die Welt
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