Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
davon schon in frühestem Alter abgelehnt und darauf bestanden, ihre Zeit mit den Leuten zu verbringen, mit denen sie es wollte, was bedeutete, mit den burschikosen Jungen und Mädchen, die als Elfenjäger und Fährtenleser aufwuchsen. Als ihre Mutter und ihr Vater begriffen, wie ernst es ihr damit war, sich ihre Spielkameraden und ihre Lebensweise selbst auszusuchen, gaben sie es bald auf, sich in diesen Teil ihres Lebens einmischen zu wollen. Stattdessen entschieden sie sich, ihr alles, was sie an Verhalten und Manieren für das höfische Leben als wichtig erachteten, zu Hause im privaten Rahmen zu vermitteln. Letzteres ertrug sie stoisch, dem Ersteren frönte sie mit Begeisterung, und sie richtete sich ihr Leben weitgehend so ein, wie es ihr gefiel.
Nach dem Tod ihrer Mutter tat sie es umso mehr, weil ihr Vater, der jetzt allein und sehr beschäftigt war, zuließ, dass sie ihrer eigenen Wege ging. Hätte er auch nur die Hälfte von dem gewusst, was sie in jener Phase angestellt hatte, auch nur von einem Viertel der Streiche erfahren, an denen sie beteiligt war, oder wäre er auch nur über einen Bruchteil der gefährlichen Situationen informiert worden, in die sie sich brachte, hätte er sie zweifellos eingesperrt, bis sie alt genug gewesen wäre, um es besser zu wissen. Aber wie ihre Großmutter schon ganz richtig bemerkt hatte, war Phryne noch nie besonders gut darin gewesen, sich eines Besseren zu besinnen. Sie wusste immer nur das besser, was sie selbst wissen wollte.
So ergab es sich wie von selbst, dass sie mit Rendelen und Dash lachte und scherzte, denn sie waren hier draußen einfach nur drei Elfen mit demselben Hintergrund und gemeinsamen Weltanschauungen, die um ein Feuer saßen und sich die Zeit mit Geschichten vertrieben.
Nur ein einziges Thema war tabu: Das Privatleben des Königs oder seiner jungen Königin durfte nicht erwähnt werden. Selbst Elfenjäger waren klug genug, um zu wissen, dass dies bei Phryne Amarantyne verbotenes Territorium war.
Sie schliefen tief und fest, bis sie der Sonnenaufgang weckte, dann setzten sie ihre Reise fort. Als sie in die Berge stiegen, tauchte die Sonne die Landschaft in helles Licht, weil das schlechte Wetter des Vortags weiterzog. Die Wolken und Frühnebelfelder lösten sich auf, und strahlend blauer Himmel trat an ihre Stelle. Gegen Mittag erreichten sie die Hänge, die zum Pass hinaufführten. Dort begegneten sie Elfenposten, welche die inneren Hänge des Talkessels bewachten. Nach einer weiteren Stunde waren sie bis zum letzten Abschnitt ihrer Kletterpartie aufgestiegen. Sie bewegten sich auf den diesseitigen Einstieg zum Pass zu und konnten schon den Lärm der Bauarbeiten hören.
Als sie den Pass und schließlich den ersten Bauplatz erreichten, auf dem die Befestigungen errichtet wurden, fiel Phryne als Erstes auf, wie dicht sich die Barrikaden an dem talseitigen Ende des Passes befanden. Schon nach wenigen Minuten konnte sie die eigentlichen Bastionen sehen, die eine Felsenge versiegelten, an der die Felswände links und rechts mehr als sechzig Meter hoch steil nach oben strebten. Sie hatte sich vorgestellt, sie würden die Barrikaden tiefer in den Pass hineinbauen, dichter an das gegenüberliegende Ende, bei der äußeren Welt. Sie hatte erwartet, die Elfen würden um jeden Zentimeter des kurvigen Passes kämpfen, wenn die ersten Barrikaden durchbrochen werden sollten. Offensichtlich hatte jemand anders entschieden.
Eine Gelegenheit, um herauszufinden, wer dafür verantwortlich war, ergab sich, als Tasha sie bemerkte, der an zugeschnittenen Baumstämmen arbeitete, die den Barrikaden als Stützpfeiler dienen sollten. Er winkte sie zu sich herüber.
»Willkommen, Cousine!«, rief er dröhnend und schlang seine langen Arme um sie. Etliche Elfen starrten sie staunend und mit offenem Mund an, als er sie so umarmte, denn immerhin war sie eine Prinzessin. Niemand hatte die Freiheit, sich einer Prinzessin ohne ausdrückliche Erlaubnis auf diese Weise zu nähern. Aber Tasha war eben Tasha. Sie erwartete nichts anderes von ihm.
»Schön, dich zu sehen, Tasha«, meinte sie und erwiderte die Umarmung. »Ich habe dich vermisst.«
»Und mich doch auch, will ich hoffen!« Tenerife tauchte an der Seite seines Bruders auf, um sich auch eine Umarmung abzuholen. »Wie ich sehe, hat dich dein Vater wieder freigelassen?«
»Er glaubt, ich hätte meine Lektion gelernt.«
»Welche Lektion das wohl war, frage ich mich?« Tenerife zwinkerte ihr zu. »Wie stehen die Dinge
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