Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
Bäume drüben im Hochland schon Blattknospen austreiben. Früher als sonst, und sie sind auch schon dicker. Du hast den Himmel bei Sonnenaufgang gesehen. Morgens wird es zwar noch einmal richtig kalt, aber ich glaube nicht, dass es noch lange so bleiben wird.«
Er schüttete heißes Wasser aus dem Kessel in eine Tasse und reichte sie ihr, dann schenkte er sich selbst eine ein. Sie nippten schweigend an ihrem Tee, genossen die Wärme in der Stube und die gemütliche Stimmung, in die sie die Gegenwart des anderen versetzte. Es gab keinen Anlass, sich jetzt schon über etwas den Kopf zu zerbrechen. Später war immer noch genug Zeit zum Reden.
Er servierte das Frühstück, und sie aßen schweigend, im Schneidersitz auf Kissen vor dem Feuer. Panterra war mittlerweile hellwach und dachte darüber nach, was ihn heute Abend erwartete. Er würde vor den Rat treten und berichten, was tags zuvor geschehen war. Prue, die ihn gerne unterstützen wollte, würde ihn begleiten. Allerdings würde er sie bitten, nichts zu sagen und ihm nur mit ihrer stummen Gegenwart zu helfen, damit die Bemerkungen, die er machte, möglichst nicht auf sie zurückfielen. Obwohl ihm klar war, dass sie sich weigern würde. In einer solchen Situation zu schweigen war ein Zeichen von Feigheit, und feige war Prue niemals. Sie würde für ihn und für sich eintreten, für das, von dessen Richtigkeit sie überzeugt war. So war sie, und so war sie schon immer gewesen.
Nachdem sie gefrühstückt hatten, trugen sie das Geschirr in die Küche und spülten es mit dem Wasser, das sie mit der Handpumpe aus dem Brunnen hinter dem Haus schöpften. Das Wasser war gut in Glensk Wood. Es gab zahllose Brunnen, die von dem großen Grundwasserreservoir im Nordwesten, in Richtung des Vorgebirges gespeist wurden. Die Versorgung mit Lebensmitteln stellte ebenfalls kein Problem dar. Früchte und Gemüse wuchsen zumeist wild, und das Jagen erlernten die meisten schon von frühester Kindheit an. Was man sonst noch brauchte, wuchs in Gärten oder wurde von kleinen Bauernhöfen produziert. Was Nahrungsmittel anging, hatten es ein paar andere Gemeinden zwar ein bisschen schwerer als Glensk Wood, aber dort hatte man Fertigkeiten bei der Herstellung von Geräten und Werkzeugen entwickelt und konnte diese Waren gegen alles Benötigte eintauschen. Der Handel unter den Dörfern der Menschen deckte jedermanns Bedarf, und wenn es das doch einmal nicht tat, dann gab es immer noch die Echsen und die Elfen, die das Fehlende beisteuern konnten. Es hatte eine Weile gedauert, bis die Gemeinden alles geordnet und ihre jeweilige Rolle in dem System gegenseitiger Hilfe gefunden hatten, das ihnen allen ein angemessenes Auskommen ermöglichte. Aber nachdem sich alles erst einmal eingespielt hatte, florierte der Handel.
Pan dachte über die Geschichte seines Tals nach, eine Geschichte, die jedem Kind schon von klein auf beigebracht wurde. Nicht der Teil mit Hawk und seiner Rolle in der Vergangenheit und Zukunft der Erretteten; er dachte an die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Völkern. Sie hatten sich schon kurz nach ihrer Ankunft voneinander getrennt und sich abgeschieden, um sich innerhalb der Grenzen ihrer neuen Siedlungsgebiete eigene Regeln zu geben. Die Menschen hatten sich im Süden und im Westen niedergelassen, die Elfen waren in den Nordosten gegangen, und die Echsen und Spinnen, deren Spezies zahlenmäßig viel geringer waren, hatten sich in den Winkeln und Nischen dazwischen angesiedelt.
Das Tal ließ diese Aufteilung zu, weil es eigentlich viel mehr war als nur ein einziges Tal. Es war eine Reihe kleinerer Täler, die durch natürliche Grenzen in Form von Wäldern, Hügeln, Seen, Flüssen und kleineren Gebirgsregionen voneinander getrennt waren. All das war von hohen Gebirgsmassiven und Gipfeln umringt, zwischen denen die Nebel eine undurchdringliche Barriere bildeten. Das gesamte von ihnen umschlossene Gebiet erstreckte sich über mehr als fünfzig Meilen von Westen nach Osten und über mehr als einhundert Meilen von Norden nach Süden. Das waren zwar keine gewaltigen Distanzen, aber sie genügten, um jedem ein eigenes Gebiet zu geben. Zwar hieß es, jenseits der Nebel gäbe es noch unzählige Morgen Land und große Gewässer… aber kein Sterblicher hatte all das jemals mit eigenen Augen gesehen, weil noch keiner von ihnen jenseits der Nebel gelangt war.
Diese Beschränkung hatte niemanden gestört, weil die Völker meistens miteinander auskamen. Aber allmählich
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