Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
wegen der Felsstürze viel unebener war. Der Aphalionpass war ein breiter, langer Weg, der zwischen zwei hoch aufragenden Gipfeln verlief. Vom Himmel blieb nichts als ein schmaler Streifen. Die Felsen stürzten vom höchsten Punkt über ihnen wie gerade schwarze Vorhänge nach unten. Der Pfad dazwischen machte zweimal einen scharfen Knick und blieb ansonsten unverändert. Gewaltige Felsblöcke, die zu früheren Zeiten aus den Wänden gebrochen waren, bildeten große Trümmerhaufen, blockierten den Weg aber nicht vollständig. Der Wind, der durch den Spalt zwischen den Gipfeln blies, heulte klagend und trostlos wie eine gequälte Kreatur.
Sie waren schon weit in den Pass vorgedrungen, als Tasha, der die Führung innehatte, anhalten ließ. Sie drängten sich eng aneinander.
»An dieser Stelle ist der Pass früher immer verschlossen gewesen.« Er musste schreien, um gehört zu werden, während er nach vorn zeigte. »Früher war hier alles voller Nebel, und es war viel zu dunkel, um noch weiterzugehen. Das ist alles weg. Ich glaube, hier ist die Barriere ebenfalls zerstört! Aber wir werden sehen!«
Er wandte sich um und ging weiter. Die anderen folgten ihm. Fast im selben Augenblick setzte auch der Regen wieder ein, fegte den Spalt zwischen den Gipfeln hinunter in langen, schnellen Sturzbächen, die sich fast wie Wasserfälle anfühlten, als sie auf die Wanderer niederprasselten. Panterra war binnen Sekunden durchnässt, selbst unter dem Schutz seines schweren Reiseumhangs. Er taumelte unter dem Ansturm der Fluten, die auf ihn niedergingen, und schaffte es kaum noch, sich aufrecht zu halten. Vor ihm ging Phryne zu Boden und fiel mit gesenktem Kopf auf Hände und Knie. Pan erreichte sie sekundenschnell, zog sie an sich und richtete sie auf. Als sie wieder auf ihren Füßen stand, sah sie ihn an. Als sie nickte, lockerte er seinen Griff. Sie ging wortlos weiter.
Der Wind heulte jetzt mit neuer Entschlossenheit und mit so überwältigender Lautstärke, dass Pan am liebsten seine Hände auf die Ohren gelegt hätte. Die fünf arbeiteten sich weiter voran, aber es wurde immer anstrengender, und sie kamen immer langsamer vorwärts.
Zeit war bedeutungslos geworden; der Wind hatte sie fortgeweht und unter seinem Heulen begraben.
Direkt vor ihnen, inmitten der trüben Nebelwände und so blass und undeutlich wie eine schwache Erinnerung, bewegte sich etwas.
Prue musste es als Erste gesehen oder zumindest die Gefahr gespürt haben, weil sie nach vorn zu Tasha stürzte, ihn am Arm griff und gestikulierte. Die Übrigen schlossen auf und sammelten sich, als die schattige Gestalt plötzlich zu etwas viel Größerem und Beeindruckenderem aufblühte. Sie schien sich direkt vor ihnen zu entfalten, an Größe und Gewicht zu gewinnen. Sie blieben wie angewurzelt stehen und sahen kampfbereit und mit gezückten Waffen zu, wie die Gestalt weiter wuchs.
Tasha winkte sie mit hektischen Bewegungen zurück und drückte seinen großen Körper an die Felswand. Panterra versuchte, durch den verhüllenden Nebel hindurchzuschauen, aber es gelang ihm nicht.
Dann drängte der Schatten mit beängstigender Schnelligkeit ins Blickfeld, löste sich aus den Nebeln, dem Regen und der Dunkelheit und erhob sich schließlich zu monumentaler Größe. Plötzlich konnte Pan deutlich erkennen, über wen sie da gestolpert waren. Die Worte in seinem Kopf waren wie ein kaltes, leises Flüstern:
Ein Drache!
KAPITEL 14
Panterra hatte noch nie einen Drachen gesehen. Aber er kannte sie aus Beschreibungen, die man ihm aus Büchern vorgelesen hatte, als er noch ein Kind war, und aus Legenden, die mündlich weitergegeben wurden. Also wusste er genug, um einen Drachen zu erkennen. Aber er war nicht darauf vorbereitet, wie schrecklich so eine Begegnung sein würde. Es war ein gewaltiges Tier, gedrungen und kräftig in seinem Mittelteil, aber mit langem, sehnigem Hals und Gliedmaßen. Sein Körper war von einem Schuppenpanzer bedeckt und sein Hals und Schwanz mit Stacheln besetzt. Als es den Kopf in seine Richtung schwenkte, konnte Pan an seiner Schnauze knöcherne Vorsprünge erkennen und einen Bart, der von seinem Unterkiefer herabhing. Aus seinem Maul ragten Zähne von der Größe seines Unterarms. Der Drache war schwarz, feuchtglänzend, und in seinen Augen schimmerte der ungezähmte Blick eines Raubtiers.
Panterra wollte weglaufen. Alles in ihm schrie danach. Aber Tasha blieb flach gegen den Fels gedrückt und machte verstohlene Gesten, es ihm gleichzutun. Alle
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