Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
mehrfach ausfragte. Aber obwohl sie ziemlich gut miteinander auskamen, entschied Sider, die Geheimnisse des Stabes für sich zu behalten. Vor allem die Macht der Gewohnheit veranlasste ihn dazu, eine natürliche Vorsichtsmaßnahme, an die er sich unter allen Umständen hielt. Er mochte Inch und vertraute ihm, aber die Macht seines Stabes war kein Geheimnis, das man mit jedermann teilte.
Als er den Hünen schließlich geheilt und wiedererstarkt verließ, versprachen sie einander, sich irgendwo und irgendwann in ihrem Leben noch einmal wiederzusehen. Beim Abschied gab ihm der andere einen kleinen Metallgegenstand mit einem einzigen Knopf. Es sei ein Gerät, um seinen Standort durchzugeben, erklärte er Sider. Wenn er den roten Knopf einmal drückte, würde ein rotes Licht aufleuchten. Es würde Inch direkt zu ihm führen, ganz gleich, wo er sei. Falls er in Gefahr wäre, falls er jemals Hilfe benötigte oder falls er einfach nur Inch wiederfinden wollte, würde das Gerät ihn zu Sider führen. Es war klein und leicht zu verbergen, und Sider hatte es in einem Geheimfach in der Innenseite seines Gürtels platziert. Man konnte ja nie wissen.
Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte er wirklich das Gefühl, dass er Deladion Inch eines Tags wiedersehen würde, aber er hätte nicht sagen können, wann oder wo, und es wäre bei der Art des Lebens, das sie führten, sinnlos gewesen, weitreichende Pläne zu schmieden.
Also hatte er sich verabschiedet und war ins Tal zurückgekehrt, zurück aus einer Welt, von der keiner von denen, die er zurückgelassen hatte, erwartet hätte, sie jemals wiederzusehen. Jetzt war er zurück, und es gab viel zu tun.
Aber zuerst würde er etwas tun, das er schon seit über zwanzig Jahren nicht mehr getan hatte. Er würde mit ihr reden.
Lange blieb er im Schatten stehen und beobachtete die umliegenden Häuser, insbesondere aber ihres. Er hatte sich einen Platz ausgesucht, an dem er vor jedem Betrachter vollkommen verborgen blieb, der es ihm jedoch ermöglichte, durch ihre vorderen Fenster in den Raum hineinzuschauen, in dem sie saß und nähte. Sie war schon immer gewitzt und imstande gewesen, für sich selbst zu sorgen, ohne irgendjemand um Hilfe bitten zu müssen. Er ging davon aus, dass sich daran nichts geändert hatte. Außerdem kümmerte sie sich jetzt auch noch um ihren Ehemann… einen Mann, über den er so gut wie nichts wusste. Er hatte es absichtlich dabei belassen. Es war schwierig gewesen, etwas aufzugeben, das er so sehr geliebt hatte. Und es war sogar noch schwieriger zu akzeptieren, dass es jetzt ein anderer besaß. Aber es war seine Entscheidung gewesen, und die Zeit, es sich noch einmal zu überlegen, war schon seit langem vorbei.
Nachdem er lange gewartet und sich überzeugt hatte, dass sie allein und ihr Gatte entweder fort war oder schlief und sich auch keine anderen Menschen im Haus aufhielten, trat er aus den Schatten heraus und ging zur Tür. Dort blieb er eine Weile stehen und fragte sich, ob er wohl das Richtige tat. Schließlich entschied er sich und klopfte vorsichtig an.
Die Sekunden vergingen.
Dann ging die Tür auf, und da stand sie.
»Aislinne.« Er flüsterte ihren Namen. Sie trat einen Schritt zurück. Ihre Miene verriet ihren Schock, und sie blinzelte hastig. Eine Sekunde lang fürchtete er sogar, sie könnte ohnmächtig werden. Aber die Sekunden verstrichen, und sie stand noch immer da und starrte ihn an. »Sider«, antwortete sie.
Danach sagte für eine Weile keiner von ihnen auch nur ein Wort. Es war so lange her. Vielleicht empfand sie es genau wie er, dass es schon ausreichte, einander so von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Sie war noch immer schön, hatte noch immer diesen Anflug von Entschlossenheit an sich, trotz ihrer Überraschung. Als sie dann seinen Arm nahm und ihn ins Haus zog, war es, als ob sie sich nie getrennt hätten.
Er bemerkte, wie sie den schwarzen Stab musterte, den er trug, sah die Ablehnung auf ihrem Gesicht, die ihre sanften Züge verzerrte. Dann blickte sie ihn wieder an.
»Was willst du, Sider?« Sie schloss die Tür hinter ihm. »Warum bist du hier?«
»Um mit dir zu reden.« Er erwiderte ihren Blick und hielt ihm stand. »Nur für einen Moment, dann verschwinde ich wieder.«
Sie zögerte, als überlegte sie, welche Konsequenzen ein solches Verhalten haben könnte. Schließlich nickte sie. »Warte hier.«
Sie hielt noch immer ihr Nähzeug in der Hand, ging zurück in die Stube, durchquerte das Zimmer,
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