Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
Thurantuh lacht in meinem Hinterkopf. Er mag es nicht besonders, wenn ich mein skriekisches Erbe lebe. Lieber sieht er mich als nordischen Krieger, der kalt und überlegt tötet. Warum Thurantuh immer noch der, wenn auch verpönte, Kriegsgott der Skriek ist und seine Anhänger nicht längst unter den wilden Stämmen der Nordmänner gesucht hat, ist mir ein Rätsel.
»Heerführerin, nach der Schlacht mit der Riesin und den Marodeuren hat du mich als blutrünstiges Tier bezeichnet«, knurre ich. »Anschließend hast du dich entschuldigt. Doch nachdem ich Kathinka vor den dunklen Boten errettet und meine Krallen um deine Gurgel gelegt habe, hast du mich wieder als Tier beschimpft.« Ich balle meine Fäuste. »Du bist sehr schnell mit deinen Verurteilungen, Amazone.«
Zu meiner Überraschung zeigt sich ein winziges Lächeln in ihrem rechten Mundwinkel. »Ist deine zarte Seele gekränkt, Skriek?«
»Willst du mich verhöhnen?«
Sie schüttelt kaum merklich den Kopf. »Du begreifst so wenig.«
»Dann sage mir, was ich nicht verstehe«, fordere ich.
»Unser Auftrag ist enorm wichtig. Wenn es uns gelingt, König Angrias zu töten, retten wir tausenden, vielleicht sogar zehntausenden Menschen das Leben.« Sie deutet mit ihrem rechten Zeigefinger auf meine Brust. »Aber dir ist das egal, Skriek. Ich weiß, warum du uns begleitest. Du hast vor Erik Anfohrrnus auf deinen Gott geschworen und bist daher eidverbunden. Aber dein Sinnen und Trachten geht allein dahin, dich Tag für Tag mit deinen Befindlichkeiten zu beschäftigen. Du siehst den großen, bedeutungsvollen Zusammenhang nicht. Nur deine Gefühle sind dir wichtig. Und da du allein und ein Ausgestoßener bist, biederst du dich bei Kathinka an und hoffst so, dich nicht mehr so verlassen zu fühlen.«
»Amazone, du hast keine …«
Sincha unterbricht mich ungehalten. »Skriek, hier geht es um etwas Großes, Wichtiges. Deine kleinen Befindlichkeiten spielen keine Rolle.«
»Aber ...«
»Glaubst du, ich fühle mich wohl in unserer Gruppe?«
»Nein, aber ...«
»Ich gebe mich nicht meinen Gefühlen hin. Ich sinniere nicht stundenlang über meine Seele. Ich weiß, was zu tun ist. Und ich tue es. Weil meine Königin es mir befohlen hat, zum Wohle der Menschen in Euptonien.«
Ich spucke aus. »Die Menschen jagen und töten Skriek.«
»Und du jagst und tötest Menschen«, kontert Sincha.
»Das ist dann ja wohl ausgleichende Gerechtigkeit, Heerführerin.«
»Ich sehe, dass du dich nicht überzeugen lässt.« Verächtlich spuckt sie aus. »Ich hatte gehofft, in dir einen Helfer zu finden. Jemanden, auf den man sich verlassen kann. Jemanden, der versteht, worum es hier geht.«
»Ich verstehe sehr gut«, entgegne ich. »Ein Zauberer hat mich zu einem Schwur gezwungen. Nun muss ich einen König töten, den ich nicht kenne. Wahrscheinlich werde ich bei dem Versuch sterben.« Nun zeigt mein kralliger Zeigefinger auf Sincha. »Und du erwartest alles Ernstes, dass ich darin einen großen Sinn sehen soll. Wie kommst du darauf?« Ich schlage meine vier spitzen Eckzähne aufeinander. »Für mich spielt es keine Rolle, welcher Mensch in Euptonien herrscht. Ich werde immer verfolgt und gejagt werden. Niemals werde ich in Ruhe leben können. Was willst du also von mir?« Sie schweigt auf meine Frage. »Sei versichert, Heerführerin, ich werde euch helfen, Angrias zu töten, weil ich es geschworen habe. Das ist es. Und nicht mehr.« Ich trete einen Schritt auf sie zu. »Ansonsten werde ich mich um jenen Menschen kümmern, der mir wichtig ist und mir gut tut.«
»Du glaubst immer noch, dass Kathinka dir gut tut?« Ihre Stimme klingt verächtlich. »Du bist ein Narr, Skriek!«
»Ja, vielleicht bin ich das.«
»Meine Königin und König Edwin aus Salur riskieren ihr Leben, um diesem Kontinent Frieden zu bringen und du denkst nur an deine unerfüllbare Liebe. Wie klein du doch bist, Skriek!«
»Deine Königin und König Edwin wollen doch nur ihre Macht sichern«, behaupte ich.
»Nein, Skriek! Sie wollen Frieden! Gerechtigkeit! Freiheit!«
Sincha klingt so überzeugt, dass ich für einen Moment zögere. »Du glaubst wirklich, was du sagst, Amazone?«
»Ja, ich glaube an meine Königin.« Sie streicht über ihr spitzes Kinn. »Und an König Edwin glaube ich auch.«
»Hm.« Ich will nicht länger mit ihr streiten. Außerdem merke ich, dass ich neugierig werde. »Wie ist denn König Edwin so?«, frage ich daher nicht unfreundlich.
»Nun, ehrlich gesagt, kenne ich ihn persönlich
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