Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
gut anstehen, mir aufmerksam zu lauschen und von mir zu lernen«, prahlt Romaldo und zupft wichtigtuerisch an den langen Ärmeln seines bunten Rüschenhemdes. »Skriek, du kannst mir danken. Ich werde nämlich so gnädig sein und dir noch einmal von meiner Heldentat erzählen. Also, höre jetzt gut zu. Es war vor fast genau zwei Jahren im Frühsommer. Ich ritt soeben auf meinem treuen Ross Kunbert so vor mich hin. Da hörte ich gellende, verzweifelte Hilfeschreie. Als Mann der Ehre gab es für mich keinen Moment des Zögerns. Jemand benötigte meine Hilfe und ich war bereit, sie zu gewähren. Ich zog mein Rapier und gab Kunbert die Sporen. Wenige Augenblicke später sah ich zwei Trolle, die eine unschuldige junge Gräfin bedrängten. Todesmutig sprang ich vom Pferd und rief meine Herausforderung.« Er zwirbelt seinen Schnurrbart. »Die beiden Unholde ließen von der jungen Frau ab und wandten sich mir zu. Ich lächelte kühl. Dann griff ich an. Mein Rapier fuhr durch die Luft. Pfeilschnell. Tödlich. Und ehe sich die Trolle versahen, lagen sie schon mit aufgeschlitzten Kehlen blutend im Gras. Und die junge Gräfin war gerettet.« Sein Blick sucht den meinen. Er ist herausfordernd, durchdringend. »Und, Skriek, hast du auch schon einen Troll erlegt? Oder eine unschuldige Frau errettet?«
»Ich habe schon ein, zwei Frauen getötet. Ob sie unschuldig waren, weiß ich nicht.« Ich zeige ihm meine vier spitzen Eckzähne. »Aber ich glaube, dass ich noch keinen Prinzen erschlagen habe.«
Er schnaubt verächtlich. »Du bist ein primitives Monster, Skriek.«
»Das mag schon sein«, kontere ich. »Aber dafür kann ich dich ohne Anstrengung in der Mitte entzwei brechen.«
»Bevor du mich zu fassen bekommst, Schuppenkopf, würde die Spitze meines Rapiers schon dein Herz durchbohrt haben«, behauptet Romaldo mit Überzeugung.
Darauf sage ich nichts mehr, sondern zucke nur mit den Schultern. Romaldo ist in meinen Augen ein Angeber und ich will ihn mit Desinteresse strafen, da ich glaube, dass das diesen eitlen Geck am meisten stört.
Erik lacht. »Das wird eine lustige Reise.« Er steht auf. »Es ist an der Zeit, euch zu verlassen. Wir treffen uns in wenigen Tagen bei den Amazonen wieder.«
»Du kommst nicht mit uns?«, frage ich erstaunt.
»Mein lieber Freund, ich denke, ich bin ein wenig zu bekannt in diesen Landen. Angrias hat einen Ring von Soldaten rund um das Land der Amazonen gelegt. Daher erscheint es mir ratsam, dass ich mich alleine durchschlage. Ich möchte um jeden Preis verhindern, dass irgendjemand davon erfährt, dass ich euch kenne.« Er streicht über seine lange Nase. »Hinzu kommt, dass ich noch etwas erledigen muss.«
Kathinka tritt zu ihm und umarmt ihn. »Ich werde dafür Sorge tragen, dass wir rechtzeitig bei den Amazonen eintreffen«, verspricht sie ihm leise.
»Nichts anderes erwarte ich von dir.« Erik Anfohrrnus drückt sie noch einmal kurz an sich, dann dreht er seinen Kopf und fixiert Romaldo mit seinem Blick, anschließend Knut und schlussendlich mich. »Meine Schülerin wird euch drei anführen. Hört auf ihre Befehle.«
Wut ist plötzlich in Romaldos Gesicht zu sehen. Er erhebt sich mit einer geschmeidig fließenden Bewegung aus seiner sitzenden Position und tritt zu dem Zauberer. »Du beleidigst mich, alter Mann. Niemals wird ein Sohn Harbas von einer Frau Befehle entgegennehmen.«
Erik bleibt erstaunlich ruhig. »Nun, mein Freund, in diesem Fall wirst du es tun.«
»Niemals!«
»Willst du Angrias tot sehen, oder nicht?«
»Was hat das damit zu tun, Zauberer?«
»Alles.«
Romaldo ballt seine Hände zu Fäusten. Knut grunzt warnend. »Grumpf.« Und noch einmal grunzt er. Es vergeht ein kurzer Moment. Plötzlich gleitet ein Lächeln über Romaldos Gesicht und er öffnet seine Fäuste. Sein Lächeln wird noch eine Spur breiter. Und noch eine Nuance verlogener. Schließlich dreht er sich zu Kathinka. Galant zieht er seinen breitkrempigen Hut mit der Schwanenfeder. »Es wird mir eine Ehre sein, von so einer bezaubernden Frau, wie du es bist, Kathinka Ebensa, Befehle entgegenzunehmen.«
Sie nickt ihm huldvoll zu. »Ich danke dir, Prinz Romaldo.«
Ich spüre Ärger in mir aufsteigen und öffne schon meinen Mund, um meine Meinung kundzutun. Doch dann schließe ich ihn wieder und denke an Eriks Worte über Thurantuh. Ich muss kalt sein, distanziert, beobachtend. Da sehe ich, wie Kathinka, als sich Romaldo seinem Bruder zuwendet, verächtlich die Mundwinkeln verzieht. Mir wird klar, dass
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