Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
ihr. Groß, breitschultrig und tödlich. Kathinka muss ihren Kopf in den Nacken legen, um mir ins Gesicht sehen zu können. Sie umfasst ihren Zauberstab. »Gib mir auch deine zweite Flöte.«
»Willst du sterben, Zauberlady?«, frage ich gefährlich leise und voller Wut. Ich bin schnell, schneller als sie denkt. Meine Krallen könnten ihr zartes Fleisch zerreißen, bevor sie ihre Magie wirken kann. Da bin ich mir sicher.
»Die Flöte«, fordert sie erneut.
Knut und Romaldo sind zu ihr gekommen. Beide sehen mich drohend an. Knut hat seinen Streitkolben fester gepackt, Romaldo sein Rapier halb aus seiner Gürtelscheide gezogen. So ist das also. Drei gegen einen. Ich knurre. Mein Eid bindet mich. Noch! Ich werde nicht den ersten Schlag setzen. Doch wenn sie mich angreifen, werde ich mich verteidigen.
»Hör zu, Skriek«, sagt Romaldo und seine Stimme klingt gelassen und gedehnt, »wir wollen dich nicht töten. Zumindest noch nicht. Erik Anfohrrnus braucht dich ja.« Er lächelt selbstzufrieden und überlegen. »Wenn du deine Flöte spielst, beleidigst du nicht nur die Ohren jedes einigermaßen musikalischen Lebewesens. Du bringst uns auch in Schwierigkeiten, weil man dein Gejaule meilenweit hören kann. Also, gib uns deine Flöte und dafür behältst du deine hässlichen Schuppenhaut. Skriek, du willst doch nicht gehäutet werden, oder?.«
Thurantuh, denke ich, es ist so unsagbar schwer, mich an meinen Schwur zu halten. Mach meine Seele hart und kalt, damit ich nicht eidbrüchig werde.
Vor meinem geistigen Auge taucht ein wirbelnder Schneesturm auf und ich fühle, wie Thurantuh grimmig lächelt. Auch meine Mundwinkeln verziehen sich ganz leicht nach oben und mein Herzschlag beruhigt sich wieder. Ich weiß jetzt, was mein Gott von mir erwartet.
»Die Flöte ist mir heilig«, sage ich. Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern und mein Mund brennt immer noch wie Feuer. »Ich kann sie euch nicht geben. Aber ich werde nicht mehr auf ihr spielen, bis wir unseren Auftrag erfüllt haben. Das schwöre ich bei meinem Gott.«
»Hm.« Romaldo zieht mit seiner linken Hand an einem von seinen drei geflochtenen Bartenden. »Klingt für mich eigentlich recht vernünftig.«
»Grumpf«, stimmt Knut zu.
»Na schön.« Kathinka lässt ihren Zauberstab sinken und geht ohne ein weiteres Wort.
Am nächsten Tag ist es kalt und windig, die Sonne lässt sich kaum blicken. Als es Mittag wird, haben wir schon zwei Gipfel überstiegen. Immer tiefer dringen wir in die Zhokanischen Berge vor. Meine linke Hand liegt seit Stunden auf meiner Knochenflöte, die in meinem Gürtel steckt. Ich bin voller Zweifel. Habe ich meinen Gott wohl richtig verstanden? War es klug von mir, vor den anderen klein beizugeben? Halten sie mich jetzt für schwach? Für feig?
Kathinka eilt zu mir an die Spitze. »Wir kommen jetzt in das Land der Riesen, Skriek. Sei wachsam.«
Ich sage nichts darauf, weil ich mit ihr nicht reden will und meine Zunge immer noch schmerzt.
Wir marschieren und klettern zwei weitere Stunden. Ein Steinadler kreist lange über uns, vier Gämsen fliehen mit hastigen Sprüngen, als wir näherkommen. Und dann sehe ich die Riesen. Es sind drei. Sie lagern bei einem schmalen Durchgang, der in eine dunkle Klamm führt.
Vorsichtig kommen wir näher. Jetzt geht Kathinka voraus. Ihren Zauberstab hat sie wieder in einen Hasselnusszweig verwandelt. Es darf wohl niemand wissen, dass sie ein Zauberlehrling ist.
Die drei Riesen kommen uns einige Schritte entgegen. Zwei von ihnen sind weit über drei Meter groß, einer ist etwas kleiner und er scheint auch jünger zu sein. Die Riesen haben dicke knollige Nasen, Augenwülste, breite Münder, struppiges dichtes Haar, lange Bärte und eine dicke, gräuliche Haut. Sie sind mit Hosen, breiten Gürteln, Fellschuhen und ärmellosen, vorne offenen Jacken bekleidet. An den Oberarmen tragen sie metallene Kriegerringe. Auf ihrer Brust sind Zeichen tätowiert. Deutlich sieht man ihre gewaltigen Muskeln. Sie sind mit eisernen Keulen bewaffnet.
Kathinka bleibt stehen und grüßt freundlich in der Hohen Sprache. Die Riesen grunzen herausfordernd und heben drohend ihre großen Keulen.
»Wir haben Gold«, sagt Kathinka unbeeindruckt und für einen kurzen Moment bewundere ich sie für ihren Mut. »Lasst uns passieren.«
Einer der Riesen kommt noch näher und beugt sich zu uns herab. Er stinkt nach altem Schweiß und kalter Asche. Aus seinem Maul dringt ein Geruch von Magensäure und fauligem Essen. Er
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