Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Albin hetzte über die Menge, hüllte sich in Dunkelheit, so gut es ging, um den Augen der Gegner zu entgehen.
Doch der Strom an Gefolgsleuten schien endlos zu sein.
Allmählich spürte Haïmoná die Auswirkungen der Anstrengung. Zudem gab die Horde die Versuche nicht auf, sie zu ergreifen, was sie zusätzliche Aufmerksamkeit kostete. Mehr als einmal schnitt sie Klauen und Finger ab, spaltete Hände und teilte Unterarme. Es hört nicht auf. Es müssen Tausende sein, die Fa’losôi befehligt. Haïmoná konnte sich nicht dagegen wehren, von der Macht der Botoikerin beeindruckt zu sein. Ich verstehe, weswegen die Unauslöschlichen sie auf Abstand zu unserem Reich halten wollen.
Ihre Augen machten eine Felsspalte etwa vier Schritte über ihr aus.
Besser, als diesen Ausgeburten der Tumbheit durch einen Zufall zum Opfer zu fallen. Haïmoná wich einer Schlinge aus, die nach ihr geworfen wurde, und durchtrennte eine zweite mit dem Schwert. Sie steuerte einen großen Barbaren an, drückte sich von seinem Schädel ab und brach ihm beim Abstoßen das Genick, wie sie deutlich am Rucken unter ihrer Sohle spürte.
Der Schwung reichte aus, um die Kante mit einer Hand zu fassen und sich in einer fließenden Bewegung hinaufzuschwingen, wo sie sich über die Schulter abrollte und auf einem Knie hockend unten blieb. Das Schwert reckte sie zur Verteidigung nach vorne.
Der schmale Pfad war jedoch leer. Schneeflocken rieselten durch die Spalte nach unten und tanzten in dem beständig anhaltenden Luftstrom.
Westwind. Samusin ist wieder mit mir. Haïmoná lächelte und richtete sich behutsam auf, dann warf sie einen Blick über die Schulter nach unten.
Die Horde rannte unentwegt weiter und kümmerte sich nicht mehr weiter um die entkommene Feindin.
Ich muss Caiphôra finden, bevor Fa’losôi auf sie stößt. Haïmoná folgte dem engen Gang und betete, dass der Gott des Ausgleichs seinen Beistand aufrechterhielt.
Ishím Voróo (Jenseitiges Land), nördlich des Albaereichs Dsôn Faïmon, 4370. Teil der Unendlichkeit (5189. Sonnenzyklus), Winter
Haïmoná schob sich seitlich durch den enger und immer enger werdenden Pfad, auf den schon lange kein Óarco und kein Barbar mehr passte.
Jedenfalls können mir keine Häscher folgen. Sie hatte Rüstung und Mantel abgelegt, um sich zwischen den Felswänden hindurchzupressen, zog die Ausrüstung an ihrem Ledergürtel hinter sich her. Solange der Westwind anhielt und beständig die Richtung wies, zweifelte sie nicht an ihrem Weg.
Dann wurde es Schritt für Schritt dunkler um sie herum. Die Ränder über ihr schoben sich zusammen und schlossen sich, bildeten ein Dach und schirmten Haïmoná gegen Schnee und Licht ab. Dafür weitete sich der Gang, der Untergrund bestand aus losem, leichtem Sand.
Sie warf sich in Rüstung und Mantel, nahm ihre Waffen und hastete vorwärts. Vereinzelt stachen Lichtlanzen durch kleine Löcher in Wänden und Decke durch die Finsternis und verschafften der Albin genügend Licht.
Letztlich gelangte sie vor ein massives Tor, gefertigt aus Holz und mit dickem, schmucklosem Blech beschlagen. Es diente nicht zur Zier, sondern zur Abwehr von Eindringlingen.
Wären die Flügel geschlossen gewesen, hätte Haïmonás Weg ein Ende gefunden. Aber der Westwind wehte unverändert und schob sie regelrecht auf den klaffenden Spalt zu.
Was erwartet mich? Die Kriegerin spähte vorsichtig hindurch.
Dahinter erstreckte sich im Zwielicht von loderndem Feuer, einfallendem Tageslicht und Rauch eine immense Höhle, deren Boden mit Trümmern übersät war. Die Grundfesten ließen auf eine Zitadelle schließen, die sich einst darin befand, doch sie war vollkommen zerstört, die massiven Quader mitunter gesprengt und sogar zu Staub zermahlen. Verankerungen lagen herausgerissen umher, letzte Glutnester schwelten vor sich hin und sorgten für umherwabernden Qualm, der zur Decke zog und durch Löcher verschwand.
Das muss die Burg gewesen sein, von der Ewìlor im Brief sprach! In den Geruch von Rauch mischte sich der süßliche Duft verwesenden Fleisches. Die faulenden, aufgedunsenen Überreste der Kwaitoo lagen unter und zwischen den Trümmern, verrotteten langsam und zersetzen sich unaufhörlich.
So sehr sich Haïmoná umschaute, sie entdeckte keinerlei Aasfresser, die sich an den Kadavern gütlich taten. Das muss einen Grund haben.
Gerade in Ishím Voróo gab es genügend Kreaturen und Bestien, die sich von den reichlich vorhandenen Toten ernährten. Warum sie sich ausgerechnet
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