Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
verließ den Raum.
Firûsha lehnte sich nach hinten, stützte die Handgelenke auf die Tischkante. Den Palast aufgeben? Sie versuchte, sich nicht schuldig zu fühlen. Hätte Marandëi von Shëidogîs erzählt, wäre alles anders gekommen. Sie verbirgt die Wahrheit noch immer und wird sie höchstens Sisaroth berichten. Er kann es ihr befehlen. Niemand sonst.
Sie erhob sich und fuhr sich durch die Haare, drehte sie zu einem Zopf zusammen und sah zum Fenster hinaus, wo die Gardisten und Baumeister an der zerstörten Brücke damit beschäftigt waren, die Lücke zu schließen. Die Stützen für einen neuen Überweg waren bereits auf dem ausgehärteten, kalten Glas errichtet.
Wie sie sich mühen. Es spielte keine Rolle, ob sie eine Brücke hatten oder nicht. Feinde könnten ganz einfach über den See laufen und von allen Seiten angreifen.
Firûsha fühlte unglaubliche Traurigkeit und Heimweh. Ich vermisse Dsôn, und ich vermisse Mutter. Ich hoffe, es geht ihr gut.
Fragt man
nach dem Sinn unseres unsterblichen Daseins,
hört man viele Antworten.
Die einen nennen das Erlangen von Macht,
die anderen nennen das Vergrößern der Erkenntnis,
manche nennen die Vervollkommnung jeglichen Schaffens,
manche nennen das Streben nach Liebe.
Was soll ich mit der Suche nach Macht, Erkenntnis, Vollkommenheit und Liebe,
ohne je gelebt zu haben?
Weisheiten, aus dem Epos »Junge Götter«,
aufgezeichnet von Carmondai, dem Meister in Bildnis und Wort
Phondrasôn
Tirîgon flankte über das Geländer des ersten Stocks, landete auf den Schultern eines überraschten Barbaren und drückte ihn brachial nieder, während er mit dem Schwert gleichzeitig einem zweiten Feind den Schädel waagerecht von Ohr zu Ohr teilte. Anschließend stieß er dem Liegenden unter sich die Klinge in den Rücken und durchtrennte das Rückgrat.
»Kommt!«, rief er hinauf.
Als seine Begleiter nicht folgten, lief er einige Stufen hinauf, um nach ihnen zu sehen. Womöglich war die Beute zu schwer für die beiden, und sie benötigten seine Hilfe.
Er blickte über den Absatz – und sah, wie sich Esmonäe und Sisaroth innig küssten.
Nein! Wie konntet ihr nur? Mit Mühe verhinderte Tirîgon den aufgebrachten Schrei, das Ziehen im Antlitz verkündete, dass sich seine Gefühle über die Wutlinien Bahn brachen. Nun hatte er den Beweis erhalten.
Die Gewissheit, die er niemals hatte erlangen wollen, erschütterte ihn. Raubte ihm den Verstand und hinterließ ein heiß brennendes Loch in seiner Körpermitte. Sein Sonnengeflecht schien vergangen und gleich einem erloschenen Vulkan in sich zusammengestürzt.
Diese Wahnsinnigen! Sie verderben doch alles! Das klare Denken gelang Tirîgon nicht. Er machte zwei Schritte zurück, stolperte.
Sisaroth und Esmonäe erkannten nicht, dass er sie beobachtet hatte. Sie folgten endlich mit der Kette und dem Schwert. Es war ungewohnt, dass Albaesohlen laute Geräusche verursachten und die Bohlen, über die sie liefen, zum Ächzen brachten. Die beiden trugen schwer an der Beute. Sie mussten mehrmals nachgreifen, die Finger öffneten sich unter dem Gewicht.
Die innere Taubheit verflog. Tirîgons strategisches Denken setzte wieder ein und verdrängte den Schock der Entdeckung. Wir werden oft Pausen einlegen müssen.
An die Überquerung des Feldes wollte er gar nicht denken. Sie hatten eine Blase, deren Inhalt für alle reichen musste.
Tirîgon ging zur Tür, öffnete sie und spähte hinaus.
Der Platz vor dem Haus war leer.
»Raus«, flüsterte er und ging voran, hüllte sich in Schatten und drückte sich an der Wand des Gebäudes entlang. Jedes Ächzen der Dielen hinter ihm jagte einen Schweißausbruch über seinen Rücken, das Reiben und Klirren der Kettenglieder schien überlaut. Er sah schon das gesamte Dorf hinter ihnen her jagen.
Sie bewegten sich quälend langsam durch die Siedlung. Letztlich nahmen die Brüder die Beute, weil Esmonäe sie nicht mehr tragen konnte.
»Ich bin immer noch dafür, dass wir alle Barbaren umbringen«, sagte sie leise. »Wir brauchen viel zu lange. Aber haben wir alle getötet, sind wir vor ihnen sicher.«
Esmonäe beklagt sich, weil ihr erster Versuch, ein Gefecht heraufzubeschwören, scheiterte. Tirîgon und Sisaroth entgegneten nichts und legten die Beute ein weiteres Mal ab.
Keine zwanzig Schritte, und sie hatten die Abwärtsserpentinen erreicht.
»Ich hasse den Zhadar«, sagte Sisaroth und hielt sich den Rücken.
»Du solltest dich darüber mit dem Unterirdischen
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