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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Wir beide nehmen die Kette.« Tirîgon versuchte, die Beute allein zu heben, doch es gelang ihm kaum. Mehr als zwei Schritte würde er nicht gehen können.
    »Lass die Kette hier. Wir kehren zurück und bringen Esmonäe zuerst in Sicherheit.« Die Albin legte dankbar eine Hand gegen seine Brust.
    So ändert sich alles. Jetzt muss er auf sie aufpassen – bis sie einem anderen folgen wird, wenn es ihr passend erscheint. »Sie wissen, warum wir herkamen. Denkst du, sie lassen uns das Zeug ein zweites Mal so einfach rauben?« Tirîgon schleifte Kette und Schwert zum Abhang und ließ sie hinabrutschen. Ich fiel auf sie herein, nun ist mein Bruder an der Reihe.
    »Ist dir Esmonäe gleich?« Sisaroth konnte es nicht fassen.
    »Was ist sie für dich?«, schmetterte Tirîgon erbost zurück. »Da du mit ihr neuerdings das Lager teilst, ist es an dir, sie zu retten. Ich bevorzuge die Gunst des Zhadar.« Er sprang den Abhang hinab.
    Rutschend und schlitternd erreichte er den Boden, pumpte die stinkende Schweinsblase mit der Kraft seiner Lungen prall auf und nahm das Holzröhrchen zwischen die Lippen. Wenn Sisaroth schlau ist, nimmt er den Barbarenleichen die Blasen ab.
    Tirîgon zerrte die Kette samt Schwert hinter sich her und betrat die Senke aus Basaltsteinen, die sich sofort unter den goldschweren Gegenständen absenkten. Leise zischend entwich das tödliche, geruchlose Gas aus dem Boden.
    Tirîgon fühlte es an seinem Gesicht entlangstreifen. Nur Luft aus der Blase atmend, begann er die Überquerung und schwitzte bald vor Anstrengung.
    Zudem musste er seine Luft einteilen. Er erreichte gerade die Mitte, als er erkannte, dass sein Vorrat nicht reichte. Aber einen Plan fasste er schnell. Ich muss ohne die Beute auf die andere Seite rennen, die Blase neu füllen und zurückkehren.
    Genauso tat er es.
    Als er zu Schwert und Kette zurückkehrte, war von seinem Bruder und Esmonäe noch immer nichts zu entdecken. Er stand allein in der Senke.
    Das ausströmende Gas trübte sich allmählich ein und schuf feinen Nebel, durch den das Dorf in einem Schleier versank. Dazu stank es plötzlich nach faulen Eiern, das Gas reizte die Augen und brachte sie zum Tränen. Ohne die gefüllte Schweinsblase wäre Tirîgon lange tot gewesen.
    Sisaroth wird sich an einem Gefecht versuchen. So bekommt Esmonäe doch noch ihren Willen. Er schleifte die Beute bis auf die andere Seite zum Gatter, den Hang hinauf, und sank mit schwachen Beinen nieder. Ein Schluck Wasser aus seinem Trinkschlauch befeuchtete die ausgetrocknete Kehle.
    Der Schwefelgestank war kaum mehr zu ertragen, sogar hier, wohin der Nebel nicht zog. Eine Luftströmung in der Höhle trieb die tödlichen Schwaden hinauf zu den Häusern.
    Sieh sich einer das an. Tirîgon lachte freudlos auf. Hätten wir das früher gewusst, wäre uns vieles erspart geblieben. Vor allem die Wahrheit über meine Gefährtin.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, schwere Steine in die Senke rollen zu lassen, die dauerhaften Druck auf den Basalt ausübten und das Gas entweichen ließen. Der Tod hätte die Barbaren im Schlaf ereilt.
    »Tirîgon! Hilf uns!«, drang die Stimme seines Bruders an sein Ohr. Sie kam aus den Nebelwolken, unmittelbar aus der Senke.
    Sie schaffen es. Tirîgon wusste nicht, ob er sich freuen sollte. Der Schmerz über den Verrat saß tief, und Esmonäe wollte er nicht wiedersehen. Ihr gab er die größte Schuld. Sisaroth ist ihr Opfer. Wie ich. Und doch war er wütend auf ihn. »Ich bin hier«, sprach er mit normaler Stimme. »Hier ist der Ausgang.«
    Schwerter klirrten, der dunkle Todesschrei eines Barbaren erklang.
    »Tirîgon, wo bleibst du?«
    Er nahm noch einen Schluck Wasser. »Hierher. Bald hast du es geschafft«, sagte er erneut mit ruhiger Stimme. »Folge dem Klang.« Er pochte mit dem Schwert gegen die Kette, sodass ein helles Klingen entstand.
    Erneut wurde irgendwo im Dunst gefochten. Ein weiterer Barbar starb, dieses Mal mit einem Röcheln.
    »Wir werden sterben, wenn du uns nicht rettest!« Sisaroth musste husten. »Bitte! Bruder!«
    Tirîgon erinnerte sich an den Schwur, gemeinsam aus Phondrasôn zurückzukehren. Konnte er Firûsha, seiner Mutter und seinem Vater mit dem Wissen unter die Augen treten, dass er Sisaroth elend im Schwefeldampf hatte sterben lassen?
    Ich verfluche den Moment, an dem ich Esmonäe traf! Tirîgon erhob sich, blies die Schweinsblase auf und band das Ende der Kordel an der Goldkette fest; das Knäuel lag lose in der Hand, damit es sich abrollen konnte.

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