Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
Firûsha.
    Sie wich dem Leichnam aus und sprang nach vorne auf die Schulter eines Gefangenen und stieß sich ab, von da im schrägen Flug gegen einen Gitterstab. Mit neuem Schwung katapultierte sie sich über den Feind, um in seinem Rücken zu landen.
    Dessen sensenartige Waffe surrte unter ihren Beinen hindurch.
    Der Barbar fing seinen fehlgegangenen Schlag allerdings nicht ab, sondern drehte sich mit einem gehässigen Lachen einmal um die eigene Achse in den Pulk der angebundenen Albae.
    Die gekrümmte Schneide kappte Köpfe, trennte Fleischstücke sowie Gliedmaßen ab und schuf ein vielfaches Aufkreischen sowie Blutfontänen, durch die Firûsha flog. Der Hieb hatte gewiss sieben, acht Leben beendet.
    Diese Unkreatur! Durch die Drehung des Barbaren endete ihr Flug neben ihm. Kaum berührten die Sohlen den Boden, führte Firûsha schnelle Schläge gegen seine Körpermitte, die er mit seiner massiven Waffenstange parierte. Er war übergroß, doch nicht behäbig.
    Firûsha umrundete ihn mit einer geschickten Rolle, kam auf ein Knie und führte einen waagrechten, kraftvollen Schnitt gegen die hinteren Oberschenkel.
    Metallringe und Leder boten nicht genügend Widerstand. Ihr Schwert zerteilte Muskeln und Sehnen.
    Der Barbar knickte mit einem lauten Schmerzensschrei ein. Doch dabei gelang ihm das Kunststück, sich zu drehen und mit der Sense nach hinten zu schlagen.
    Die kniende Firûsha konnte ihre Waffe hochreißen und verhindern, dass sich die Sensenspitze in sie bohrte. Ihre Hände hielten den Griff umklammert.
    Den Schwung, den sie ungewollt erhielt, nutzte sie, um sich erneut über die Schulter abzurollen, über die blutenden Albae hinweg. Auf Kopfhöhe des gestürzten Feindes federte sie in die Höhe und rammte ihm die Klinge senkrecht durch den Helm.
    Der Koloss erschlaffte mit einem schrillen Aufschrei und lag still.
    »Dein Tod heißt Firûsha.« Sie richtete sich auf und blickte die Überlebenden an, die sie verängstigt beobachteten. »Bleibt ruhig. Wir kommen gleich und befreien euch, aber zuerst müssen wir die Karderier töten«, erklärte sie atemlos und rannte aus dem Käfig. Firûsha warf sich in den Kampf gegen die übrigen Bewacher. Inzwischen hatten die Feinde Verstärkung durch den Hauptgang erhalten.
    Doch die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner beschäftigte sie nicht. Ein Alb nahm es mit zehn und mehr Barbaren auf. Firûsha eilte zu den aufgetürmten, faulenden Leichen ihres Volkes, hinter denen sich der Karderier verborgen hatte.
    Sie hielt das Schwert mit beiden Händen schlagbereit, schlich auf Zehenspitzen um den widerlichen Stapel.
    Aber der Gestaltwandler war verschwunden.
    Ich befürchtete es. Stattdessen vernahm sie ein leises Stöhnen aus dem Kadaverhaufen.
    Eine Kinderhand schob sich zwischen den Toten hervor; an den Fingern lief Leichenwasser und altes, halb geronnenes Blut herab. »Hilf mir«, erklang ein Stimmchen. »Hol mich raus, bevor das Scheusal wiederkommt.«
    Kann das sein? Ist es eine List? Firûsha zögerte, packte zu und zog an der kleinen Hand.
    Ein Junge von ungefähr einem Teil der Unendlichkeit rutschte aus dem Berg und glitt vor ihr nieder. Er war über und über mit Zersetzungsresten behaftet und stank fürchterlich. Die Kleidung vermochte man allenfalls unter der Schicht zu erahnen. »Danke!«, rief er freudig und weinend zugleich. »Ich …« Er sah sie erschrocken an, als sich das Schwert an seinen Hals legte. »Warum tust du das?«
    Ist er der Gestaltwandler? Versucht er, mich zu narren? Firûshas Herz klopfte rasend schnell, ihre Gedanken überschlugen sich. Sie roch die Verwesung, sah die misshandelten Albae, spürte das Verlangen, einen Karderier zu töten und ihn für seine Taten zu strafen – und konnte sich dennoch nicht sicher sein, dass der Junge der Gesuchte war. »Wie bist du aus dem Käfig entkommen?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    »Es gibt eine schmale Stelle«, er zeigte zum zweiten Käfig, »durch die ich mich schob. Die anderen wollten, dass ich den Schlüssel des Aufsehers stehle, um sie zu befreien. Ich wartete bei den Toten auf eine Gelegenheit.«
    »Sintholor! Mein Junge!«, rief eine Albin hinter Firûsha aus weiter Entfernung. »Siehst du? Die Infamen sind mit uns! Sie retteten uns!«
    Er wagte nicht, die Hand zu heben und zu winken, sondern sah auf das Schwert. »Ich bin nicht der Karderier. Er kroch in eine Röhre.«
    Firûsha sah das Loch im Felsen, das groß genug war, um die sechsarmige Kreatur aufzunehmen. Es kann stimmen.

Weitere Kostenlose Bücher